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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
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Tür jemand mit Bleistift »Vorarbeiter« geschrieben hat, hält er an und führt mich hinein. Natürlich ist es kein Baucontainer, sondern der wahre Eingang zum Projekt Albumen. Als mir dies offenbart wird, begehe ich beinahe den Fehler, Richard P. Purvis zu fragen, ob es hier in der Nähe vielleicht auch einen Tank mit menschenfressenden Haien gebe, in den feindliche Agenten mittels einer Falltür befördert werden können. Ich frage nicht, weil ich große Angst davor habe, dass die Antwort »Ja« lauten könnte. Dieser Laden hat kein Gefühl für seine eigene Lächerlichkeit, und der Eindruck bessert sich erst recht nicht, wenn man weiß, dass er Menschen umbringt.
    Die fugenlose Rückwand des Baucontainers öffnet sich zu einem unheimlichen, beige gestrichenen Flur mit gekrümmten Wänden und einem vergitterten Boden, der sich in der Ferne verliert – wie die Gänge in einem billigen Science-Fiction-Film aus dem Jahr 1972. Eine fröhliche uniformierte Frau, die ich nicht kenne, begrüßt mich und fordert mich höflich auf, mich zu entkleiden. Ich folge der Anweisung, die fröhliche Frau sieht nicht einmal weg. Falls meine entblößten Genitalien sie erschrecken, so weiß sie ihre Bestürzung jedenfalls gut zu verbergen.
    Sie nimmt meine Kleidung an sich und entfernt sich. Als ich bleibe, wo ich bin, fordert sie mich geduldig auf, ihr zu folgen. Ich trete durch eine Tür in einen Raum voller medizinischer Mitarbeiter mit Masken und Kitteln und werde äußerst gründlich untersucht: Probenentnahme, Röntgenaufnahmen, ich werde rasiert und geduscht, sie kratzen an mir herum, machen Biopsien, entlausen mich, desinfizieren mich, zapfen mir Blut ab, machen einen Lügendetektortest und eine Magnetresonanz-Tomografie, ich bekomme neue (hässliche) Kleidung und werde endlich weiter nach drinnen geschickt, wo ein gewisser General Copsen amtiert, der entweder mein bester Freund oder mein unversöhnlicher Feind ist. Allmählich keimt in mir der Gedanke auf, dass der Unterschied womöglich gar nicht zu bestimmen ist. Nur dass er, wäre er mein Feind, damals in diesem Raum in Jarndice vielleicht auf den Knopf gedrückt hätte, statt ihn mir bloß zu zeigen. George grinst mich jedenfalls breit an und sagt: »Willkommen in der Firma«, als wäre ich kein frisch eingezogener Zwangsarbeiter.
    »Wahrscheinlich fragen Sie sich schon, warum ich Sie hergerufen habe«, sagt General George, als wir durch ein Hightech-Fallgatter schreiten und einen sechseckigen Tunnel betreten, dessen Wände mit etwas bedeckt sind, das wie Haar aussieht. Offenbar glaubt er, er habe einen Witz gemacht und möchte, dass ich das Gleiche denke. Ich komme ihm mit einem schwachen Grinsen entgegen, er nickt erfreut und lässt mich nicht auf ein feuchtes Kissen schnallen.
    »Die Wahrheit ist, dass Sie einer meiner großen Hoffnungsträger sind. Sie sind einer von meinen Jungs. Ich habe natürlich auch Mädchen, aber ich nenne sie alle meine Jungs. Sie sind einer der Besten. Sie haben alles überstanden, haben den Kopf oben behalten und sich nicht beeindrucken lassen. Guter Junge. Crispin sagte, Sie seien auch klug.«
    Ich starre ihn an. George Copsen wird sentimental. Der Oger des elektrischen Todes hat eine Träne im Knopfloch. Er will geliebt werden. Er glaubt, man könne einfach vergeben und vergessen, und ich solle mich seiner perversen Forschergemeinde anschließen und eine seiner Töchter (außer Lydia) heiraten. General George Copsen will den pater familias spielen.
    »Es war schlimm damals«, sagt er. »Wir mussten eine Quote erfüllen. Sie sagten: ›Findet so und so viele Terroristen. Wir wissen, dass sie da draußen unterwegs sind.‹ Also spielte ich Fangen. Die Besten habe ich gerettet. Sie sind natürlich einer der Besten. Einer meiner Jungs.« Unterdessen frage ich mich, was wohl aus den anderen geworden ist. Verurteilt? Auf unbestimmte Zeit in Gewahrsam? Freigelassen, aber ewig verdächtig? Oder einfach nur verschwunden? Ich bin wütend, weil er dafür sorgt, dass ich mich darüber freue, einer seiner Jungs zu sein.
    Er legt einen Arm um meine Schultern und merkt nicht, dass ich eine Gänsehaut bekomme und mir jedes Mal beinahe übel wird, wenn er mir zuzwinkert. So führt er mich durch einen weiteren riesigen Science-Fiction-Flur auf das zu, was sich im Zentrum dieses gespenstischen Ameisenhaufens befinden mag. Der Flur ist auf eine raffinierte Weise beleuchtet, die ich nicht sofort durchschaue. Deshalb kann ich auch nicht ermessen, welche

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