Die Geschichte der Deutschen
Auch in Deutschland bilden sich rasch zahlreiche Humanistenkreise.
Die Blütezeit des Humanismus in Mittel- und Westeuropa hebt allerdings erst im 16. Jahrhundert an. Die humanistischen Denker Philipp Melanchthon, Ulrich von Hutten oder der berühmte Erasmus von Rotterdam gehören schon zu den Schriftstellern und Philosophen der Frühmoderne. Die Physik, die Chemie, |75| die Medizin oder die Mechanik gewinnen dann ganz neue Dimensionen. Europa legt die ersten Fundamente der kommenden naturwissenschaftlichen Revolutionen, die unsere Welt so dramatisch verändern werden.
Die Humanisten finden in den teilweise zerstörten oder verwahrlosten Klöstern, in denen im Mittelalter die Mönche in den Schreibstuben alte Handschriften kopierten, verschollene Texte antiker Autoren. Diese werden zur Grundlage ihrer Auswertungen und philosophischen Abhandlungen. So erwächst aus dem Humanismus das Zeitalter der Renaissance, der Wiedergeburt des antiken Denkens, und der Reformation, der Umgestaltung und Erneuerung der christlichen Glaubensbewegung. Das ist der Beginn der Neuzeit.
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|76| Das Alte Reich
Am 3. August 1492 versammelt sich eine aufgeregte und sensationsgierige Menschenmenge im Hafen des südspanischen Städtchens Palos. Drei Schiffe, darunter das Flaggschiff »Santa Maria«, liegen dort segelbereit auf Reede. Die Mannschaften jubeln, als der Kommandant des Unternehmens auftaucht, für das die dickbäuchigen Karavellen ausgerüstet sind. Es ist der 41-jährige, aus Genua stammende Christoph Columbus. Im Auftrag von König Ferdinand I. und Königin Isabella soll er auf einer Fahrt in Richtung Westen den Seeweg nach Indien finden. An diesem Tag startet er seine erste von insgesamt vier Entdeckungsreisen.
Jahrelang hat der Italiener darum gekämpft, sich seinen Lebenstraum zu erfüllen. Die portugiesische Krone verweigert ihm jegliche Unterstützung und hält das Vorhaben für das Hirngespinst eines windigen Abenteurers. Das spanische Herrscherpaar, an das er sich nach dem Scheitern seiner Pläne in Lissabon gewendet hat, lässt ihn bis zum erfolgreichen Ende des Krieges gegen das maurische Granada auf eine Entscheidung warten. Am 17. April 1492 ist es endlich soweit: Der König und die Königin unterzeichnen mit dem immer ungeduldiger werdenden Columbus einen Vertrag, der die Ausrüstung seiner drei Schiffe sichert und ihn als Großadmiral dieser kleinen Flotte bestätigt. Für alle Länder, die er auf seiner Expedition im Namen Spaniens entdeckt, wird ihm das Amt des Vizekönigs zugesichert.
Columbus, dieser mutige Träumer und weitsichtige Fantast, entdeckt nicht den Seeweg nach Indien, sondern einen für Europa neuen Kontinent: Amerika. Er wird bald an den Machtkämpfen des spanischen Hofes scheitern und ziemlich elend und gedemütigt sterben. Aber er hat mit seiner Tat ein neues Kapitel in der Geschichte aufgeschlagen. Denn die Entdeckung Amerikas verändert die Welt. Andere Abenteurer folgen bald seinen Spuren. Spanien nimmt Süd- und Mittelamerika in seinen Besitz. Den brutalen Eroberern folgen die Missionare. In Peru oder in Mexiko gehen die großen alten Kulturen der Inkas und der Azteken |77| unter, in Südamerika finden Völkermorde statt. Riesige Rohstoff- und Silberladungen erreichen bald Madrid. Spanien wird zur europäischen Großmacht. Für die Historiker ist die Entdeckung Amerikas eine epochale Wende in der abendländischen Geschichte. Mit dem Jahr 1492 tritt Europa in die Neuzeit ein.
Was ist historisch und gesellschaftlich gesehen eine Neuzeit? Natürlich ist ihr Beginn nicht an einem exakten Datum festzumachen. Wenn die Geschichtsschreiber das Jahr 1492 damit verbinden, dann ist das eine willkürliche Festsetzung, die nur zeigt, wie einschneidend das Ereignis, die Entdeckung Amerikas durch die Europäer, gewesen ist. Das Neue kommt nicht in einem spektakulären Augenblick, sondern schubweise. Es entwickelt sich in einem für die meisten Menschen lange Zeit nicht erkennbaren Veränderungsprozess. Es sind zunächst nur wenige Denker, Wissenschaftler, Erfinder oder Staatsmänner, die das Wagnis eingehen, neue Ideen und Erkenntnisse zu veröffentlichen oder gar in die Tat umzusetzen. Allmählich beginnen dann immer mehr Menschen zu fühlen, dass das Althergebrachte fragwürdig geworden ist, übermächtige geistige und praktisch-alltägliche Traditionen ihre Gültigkeit verlieren. Sie spüren die großen Umbrüche, die ihr gesellschaftliches und auch persönliches Leben
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