Die Glücksbäckerei – Das magische Rezeptbuch
ich mich auch
insouciant
.«
Rose ließ entspannt die Schultern sinken, die sie die letzten paar Stunden bis an die Ohren hochgezogen hatte. Die weiche Baumwolle ihres bauschigen Rockes strich ihr im Luftzug um die Beine wie eine Katze, die einen um Futter anbettelte, und einen Augenblick lang hatte sie das Gefühl, dass alles gut werden würde. Ein paar allzu freimütige Bibliothekarinnen waren doch nicht das Ende der Welt. Die Wirkung der Plätzchen würde früher oder später nachlassen, und alles würde wieder normal werden, sie selbst eingeschlossen. Sie würde bald wieder ihren üblichen Posten einnehmen als das Mädchen, das ganz stillschweigend alles richtig machte.
Kurz darauf bogen sie auf den Marktplatz ein, einen weitläufigen Platz, der mit rötlichen Ziegeln gepflastert war, die in der Sonne praktisch leuchteten. In der Mitte des Platzes stand eine Marmorstatue des Stadtgründers Reginald Calamity, der eine Kuh melkte. Während des Sommers war die Statue ein Springbrunnen, und aus dem Kuheuter strömte Wasser. Rose fand das geschmacklos. Der Bürgerverein von Calamity Falls sollte ihrer Ansicht nach eine neue Statue aufstellen lassen, eine mit weniger … Melken.
Lily blieb eine Minute lang vor der Statue stehen und starrte zu ihr hinauf. »Interessant.«
Als sie an der Statue vorbei auf die Tische von Pierre Guillaumes Bistro zugingen, sah Rose eine Schlange von ungefähr fünfzig Leuten davor stehen.
»Was ist denn da los?«, sagte sie. »Seit wann muss man bei Pierre Guillaume einen Tisch reservieren?«
Doch dann fiel Rose auf, dass die Leute nicht direkt Schlange standen, sondern sich eher als lärmender Haufen zusammengerottet hatten, und dass jeder aus der Menge zum Dach des Bistros emporstarrte, auf dem Pierre Guillaume vor einigen Monaten eine vier Stockwerke hohe Nachbildung des Eiffelturms hatte installieren lassen.
Dann sah Rose, was die Leute dort oben so gebannt verfolgten.
Mr Bastable erklomm Pierre Guillaumes falschen Eiffelturm.
Irgendwie hatte er es geschafft, auf das Dach des Restaurants zu klettern – wahrscheinlich mit Hilfe der Leiter, die an dem Gebäude lehnte –, und stieg nun Sprosse um Sprosse den Turm hinauf. Die Leute riefen: »Mr Bastable! Tun Sie das nicht!« und »Kommen Sie herunter!«, aber er hörte nicht auf sie.
Pierre Guillaume kam in seiner weißen Chefkoch-Jacke und der Kochmütze aus seinem Bistro, um die Menge zu begrüßen.
»Oh la la!«
, kreischte er. »Isch ’abe noch nie so viele Gäste ge’abt! Einige von Ihnen müssen vielleischt etwas warten, aber keine Sorge! Jeder wird bedient …« Er verstummte, als er begriff, dass die Menge, die sich vor seinem Restaurant versammelt hatte, gar nichts mit Essen im Sinn hatte. Er drehte sich um und sah hinauf und sagte noch einmal leise: »Oh la la!«
Roses Puls ging schneller. Hatte dieses waghalsige Kunststück etwas mit dem Plätzchen zu tun, das Chip Mr Bastable gegeben hatte? Oder lag es an dem Muffin vom Tag zuvor? War dies das logische Ergebnis, wenn sich zwei Zauberrezepte im Bauch eines Frosch-Fans vermischt hatten?
Pierre Guillaume war den Tränen nahe. »
Monsieur! Monsieur! Excusez-moi!
Sie dürfen da nicht hinaufklettern! Mein Eiffelturm ’ält Ihr Gewischt nischt aus!
Monsieur!
Sie klettern in Ihren Tod!«
Doch Mr Bastable kletterte unverdrossen weiter.
In Panik rannte Pierre Guillaume zur Feuerwache an der übernächsten Kreuzung. »’ilfe! ’ilfe! Ein Froschmann ist auf meinem Turm!«
Schließlich kam Mr Bastable oben an. Er umschlang die falsche Stahlkonstruktion mit seinen dürren Armen und Beinen und klammerte sich mit aller Macht fest, als ein Windstoß ihn ergriff und ihm seine aufgeplusterten Haare um die Wangen wehte.
Eindeutig entsetzt starrte er hinunter in die Menge, dann in den Himmel hinauf. Rose hoffte nur, dass er einfach von selbst verrückt geworden war und es nichts mit den Plätzchen oder Muffins oder Miss Thistle zu tun hatte.
Doch da begann er zu rufen.
»Ich, Bernard Bastable, liebe Miss Felidia Thistle!«
Rose zuckte zusammen. Es war schlimmer, als sie befürchtet hatte. Die Mischung aus den
Liebesmuffins
und den
Wahrheitsplätzchen
war zu einem eigenen, wirkungsvollen Zauber geworden.
»Ich möchte an ihren Fingerspitzen knabbern!«, rief er und strahlte über das ganze Gesicht. »Ich möchte ihre Nase küssen und ihr eine Pastete backen! Ich möchte ihr etwas Pastete auf die Nase schmieren und sie danach ablutschen!« Jeder in der Menge stöhnte auf
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