Die Goldhaendlerin
vor sich, als der Fährmann mit einem Mal das Steuer herumriss und das Boot der Strömung preisgab, »Die restlichen zehn Schritte könnt ihr schwimmen, Judenpack«, rief er höhnisch.
Jochanan zog erschrocken den Kopf ein. Lea hingegen zuckte nur lächelnd mit den Schultern. »Dann werde ich den Tiroler Silbergroschen, den ich dir als Trinkgeld geben wollte, wohl wieder einstecken müssen.«
Die Augen des Fährmannes flammten begehrlich auf. »Wenn du ihn nicht zahlst, schlage ich dir den Schädel ein«, drohte er und schnauzte seine Männer an, den Kahn ans Ufer zu bringen. Innerhalb kürzester Zeit scharrte der Bug des Prahms über den Kies. Jochanan sah die Stange, die der Fährmann drohend schwang, sprang vor Schreck über Bord und landete in knöcheltiefem Wasser. Lea zog den Tiroler Groschen hervor und ließ ihn in ihrer Hand aufblitzen, doch sie hielt ihn fest, bis sie auf trockenem Boden stand. Dann legte sie die Münze auf die Bordwand. Fluchend bückte der Fährmann sich danach. Anscheinend hatte er die Fähre in dem Augenblick, in dem Lea ausstieg, vom Ufer abstoßen wollen, um wenigstens einen der beiden Juden zu Fall zu bringen. Da auch keine weiteren Reisenden auf dieser Uferseite in Sicht kamen, schickte er Lea einen weiteren Fluch hinterher und befahl seinen Knechten, wieder abzustoßen.
Lea seufzte und schob die Kiepe zurecht. »Noch so ein Zwischenfall, und ich werde Roland Fischkopfs Ratschlag annehmen und in Zukunft als Christ verkleidet reisen.«
Jochanan, der ihr half, die steile Uferböschung hochzuklettern, sah sie erschrocken an. »Aber Herrin, das kannst du nicht tun, denn wenn du erkannt wirst, wird man dich töten. Außerdem müsstest du deine Schläfenlocken abschneiden, und dann kannst du dich bei keinem frommen Juden mehr sehen lassen.«
»Deine Mutter hat sie mir schon einmal angeklebt«, gab Lea übermütig zurück. Dann sah sie Jochanans gequältes Gesicht und klopfte ihm auf die Schulter. »Jetzt beruhige dich wieder. Ich habe ja nicht gesagt, dass ich es tue.«
Jochanan nickte zwar, doch in seinen Augen lagen Zweifel. Er kannte seine Herrin gut genug, um zu wissen, dass sie ihre Worte früher oder später in die Tat umsetzen würde.
10.
Während Leas Abwesenheit verlief das Leben in Hartenburg in seinen altgewohnten Bahnen. Der Markgraf war nun seit zwei Jahren verheiratet und seit kurzem wieder Vater eines Sohnes. Doch man munkelte allenthalben, dass er seiner bigotten Gemahlin überdrüssig war und unter den Schönen seines Ländchens Ausschau hielt, um eine zu finden, die ihn über seine liebesleere Ehe hinwegtröstete. Dabei fasste er die jüngere Schwester des Juden Samuel Goldstaub ins Auge, die ihm ausnehmend gut gefiel.
Ausgerechnet bei der schönsten Frau, die er je gesehen hatte, überfielen Ernst Ludwig von Hartenburg jedoch Skrupel. Normalerweise interessierte er sich nicht für seinen Schutzjuden, außer wenn dieser ihm wieder einmal Geld beschaffen musste, aber man hatte ihm berichtet, dass diese Leute nach heidnischen Regeln lebten und engstirnige Ansichten hatten. Trotzdem hätte er vor seiner zweiten Vermählung die junge Jüdin wie jedes andere Bauern- oder Bürgermädchen, das ihm gefiel, auf seine Burg mitgenommen und benutzt. Jetzt aber regierte dort seine Frau und hatte seinen Besitz mit Dutzenden ihr hündisch ergebenen Höflingen bevölkert, die ihr alles zutrugen, was im Land geschah. Die einzige Zuflucht, die ihm noch geblieben war, bot ein altes Jagdhaus, das sein Großvater erbaut hatte und das von einer ihm treu gebliebenen Dienerschaft versorgt wurde. Wenn er die schöne Jüdin dorthin entführte, würde er sich jedoch Ärger mit seiner Gemahlin einhandeln und sich gleichzeitig seinen Hoffaktor zum Feind machen, und das konnte er sich finanziell immer weniger leisten. Er hatte den Juden schon einige Male bis zur Schmerzgrenze geschröpft und gedachte es auch weiter zu tun, denn der junge Goldstaub war noch ein größeres Genie im Geldbeschaffen als sein Vater. Aber wenn er die Familienehre des mickrigen Kerlchens angriff, riskierte er, dass sein Goldesel auf Nimmerwiedersehen verschwand und auch kein anderer seine Stelle einnahm. Wie man so hörte, verfügte das Judenpack über ein besseres Nachrichtensystem als der Kaiser, und wenn es unter den Söhnen Judas hieß, der Markgraf von Hartenburg stelle ihren Töchtern und Schwestern nach, würde er keinen Hoffaktor mehr finden, der seine Kasse in Ordnung hielt. Trotz dieser Überlegungen ritt
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