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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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unbezwingbarer Schmerz, der sich ins Maßlose steigerte und sein Gehirn, seine Brust, seinen Unterleib zu sprengen drohte. Es war, als würde er in Stücke gerissen und zugleich in den Schlund der Hölle rasen, wo ihn ein wirbelnder Strudel in einem feuerroten Kreis erfasste. Dann ein Stoß, eine letzte Erschütterung, als würden ihm das Genick und sämtliche Knochen im Leib gebrochen - und plötzlich war es vorbei.
    Wie viel Zeit war vergangen? Cornelius Scheppering wusste es nicht. Vorsichtig drehte er sich um. Der Henker wischte sich den Schweiß von der Stirn und warf einen zufriedenen Blick auf sein Opfer. Samuels Usques Gesicht war das Spottbild eines menschlichen Antlitzes, eine einzige Stätte der Verwüstung, leblos und entseelt, ein Schlachtfeld, auf dem Gott und der Teufel miteinander gerungen hatten. Wer hatte den Sieg davongetragen?
    »Zum allerletzten Mal!«, flüsterte Cornelius Scheppering, am Ende seiner Kräfte. »Wer hat dich zu deinen Verbrechen gezwungen?«
    Und endlich - endlich regte sich etwas in Samuel Usques zerstörtem Gesicht, erst ein Zucken seiner Augen, dann ein Wimpernschlag. Erwachte seine Seele, um zu neuem Leben wiederaufzustehen? Seine Wangen bebten, seine Lippen zitterten, und ja, ja, ja - sie formten einen Namen! Doch sein Gesicht war ganz verquollen, die Zunge versagte den Dienst, und so leise und schwach klang seine Stimme, dass Cornelius Scheppering nichts verstehen konnte.
    Er beugte den Kopf über Samuel Usques Gesicht, das Ohr ganz nah an seinem Mund. Und dann hörte er den Namen, obzwar nur gehaucht, doch so deutlich und klar und unmissverständlich wie eine Botschaft des Herrn.
    Cornelius Scheppering schloss die Augen, um mit einem Stoßgebet dem Himmel zu danken. Kaum konnte er sich aufrecht halten, so sehr hatte er gelitten, und die Stimme brach ihm im Gebet. Nur mit unvorstellbarer Mühe brachte er seinen Dank über die Lippen.
    »Gelobt seiest du, Allmächtiger, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.«
    Erst als er die Augen wieder öffnete, bemerkte er den großen nassen Fleck auf seiner Kutte, in der Höhe seines Schritts, und seine Harnröhre brannte, als wäre der Teufel in sie gefahren. Dann war alles schwarz um ihn herum, und Cornelius Scheppering sank in eine Ohnmacht, so sanft und süß wie die Gnade des barmherzigen Gottes.
     

15
     
    Mitten in der Nacht wurde Gracia aus dem Schlaf gerissen. »Wach auf! Hörst du nicht? Wach auf!«
    Gracia öffnete blinzelnd die Augen. Brianda, nur notdürftig mit einem Umhang bekleidet, das Haar unbedeckt und zerzaust, stand über sie gebeugt, mit einem Leuchter in der Hand.
    »Was ... was ist passiert?«, fragte Gracia und rieb sich den Schlaf aus dem Gesicht.
    »Sie haben Diogo verhaftet!«
    Mit einem Schlag hellwach, fuhr sie von ihrem Bett auf. »Um Gottes willen! Warum?«
    »Auf Befehl der Regentin. Samuel Usque hat ihn verraten.« »Was werfen sie ihm vor?«
    »Dass er Samuel gezwungen hat, Christen zum Judentum zu bekehren. Außerdem behaupten sie, Diogo wäre ein Agent des Sultans, der Marranen anstiftet, ihr Geld nach Konstantinopel zu schaffen.«
    »Ich muss sofort zu Aragon«, sagte Gracia und griff nach ihren Kleidern. »Er ist der Generalkommissar des Kaisers und Diogos Freund.«
    Brianda schüttelte den Kopf. »Ich komme gerade von ihm.« »Und - was sagt er?«
    »Es hat niemand aufgemacht. Obwohl Licht bei ihm brannte.« »Und du bist einfach wieder gegangen?«
    »Was sollte ich denn machen?« Brianda stellte den Leuchter auf den Nachttisch und schlug die Hände vors Gesicht. »Jetzt ist genau das passiert, wovor ich euch immer gewarnt habe.« »Heulen hilft nicht«, fuhr Gracia sie an. »Gib mir lieber das Wams da.«
    Brianda rührte sich nicht vom Fleck. »Das ist einzig und allein eure Schuld«, schluchzte sie. »Was für ein Wahnsinn, diese Leute ins Haus zu holen! Wildfremde Menschen! Jetzt verlieren wir alles, was wir haben! Wir müssen betteln gehen!«
    »Und Dom Diogo?«, fragte Gracia, während sie sich ihr Wams überstreifte.
    »Sie haben das ganze Haus nach Beweisen durchsucht.« »Haben sie etwas gefunden?«
    »Zwei hebräische Bücher. Eins mit Psalmen und einen Talmud-Kommentar.«
    »Dom Diogo liest heilige Bücher?«
    »Das ist doch ganz egal! Sie haben sie beschlagnahmt und danach alles, was sie sonst noch finden konnten. Die Firmenkasse, Diogos Privatschatulle, meine Schmuckkassette - alles! Was soll jetzt nur aus uns werden?«
    »Mal den Teufel nicht an die Wand! Solange es nur Geld ist, wollen

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