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Die Graefin Charny

Die Graefin Charny

Titel: Die Graefin Charny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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setzte sie mit kaum vernehmlicher Stimme hinzu: »Wenden Sie Sebastian Ihre ganze Liebe zu ... Und gedenken Sie Ihres Versprechens ... an seiner Seite ... an der Seite meines Olivier, meines Gatten ... auf ewig!«
    Dies waren die letzten Worte. Sie verschied.
    Gilbert nahm sie in seine Arme und hob sie von der Erde auf.
    Fünfzig entblößte, mit Blut bespritzte Arme erhoben sich drohend gegen ihn. Aber Maillard erschien hinter ihm, hielt ihm die Hand über den Kopf und sagte:
    »Laßt den Bürger Gilbert durch, er trägt die Leiche einer armen Wahnsinnigen fort, die durch ein Mißverständnis ums Leben gekommen ist.«
     

52. Kapitel
     
    Die Lage war bedenklich; Longwy war gefallen, Verdun in der größten Gefahr, der Feind nur noch fünfzig Meilen von Paris entfernt; der König und die königliche Familie waren daher kostbare Geiseln, die den entschiedensten Gegnern der Revolution das Leben sicherten.
    Es wurden Kommissare in den Temple geschickt. Fünfhundert Soldaten wären nicht imstande gewesen, dieses Gefängnis zu bewachen; ein Kommissar ersann ein wirksameres Mittel als alle Piken und Bajonette in Paris: den Temple mit einem dreifarbigen Bande zu umgeben und folgende Inschrift daraufzusetzen: »Bürger, achtet diese Schranken, sie sind notwendig für unsere Überwachung und für unsere Verantwortlichkeit.«
    Sonderbare Zeit, in der man starke Türen einschlug, Eisengitter zertrümmerte – und vor einem Bande zurückwich! Das Volk kniete vor dem dreifarbigen Bande nieder und küßte es.
    Am 2. September speiste der König zur gewohnten Stunde; nach dem Essen begab er sich, wie gewöhnlich, mit der Königin, Madame Elisabeth, Madame Royale und dem kleinen Dauphin in den Garten.
    Während des Spaziergangs wurde das Schreien und Lärmen draußen immer heftiger. Es war etwa drei Uhr, eben wurde mit der Ermordung der aus dem Stadthause zur Abbaye gebrachten Gefangenen der Anfang gemacht.
    Kaum war die königliche Familie wieder in dem Zimmer der Königin versammelt, so erschienen zwei Munizipalbeamte; der eine, ein vormaliger Kapuziner namens Mathieu, trat auf den König zu und sagte:
    »Sie wissen nicht, was vorgeht? Das Vaterland ist in der größten Gefahr.«
    »Wie kann ich hier etwas erfahren?« erwiderte der König; »ich bin ja im Gefängnis, und niemand wird zu mir gelassen!«
    »Nun, dann will ich Ihnen sagen, was Sie nicht wissen: Der Feind ist in die Champagne eingerückt, der König von Preußen marschiert gegen Châlons.«
    Die Königin konnte eine Äußerung der Freude nicht unterdrücken. Der Munizipalbeamte bemerkte dies.
    »O ja,« sagte er, sich zu Marie Antoinette wendend, »wir wissen wohl, daß wir samt unseren Frauen und Kindern umkommen werden; aber Sie haben alles zu verantworten, Sie werden vor uns sterben, dem Volke muß Genugtuung werden!«
    »Wir sind in Gottes Hand«, antwortete der König; »ich habe für das Volk alles getan und habe mir nichts vorzuwerfen.«
    Derselbe Munizipalbeamte wandte sich nun zu dem Kammerdiener Hue, der nahe an der Tür stand.
    »Dich«, sagte er, »habe ich im Auftrage des Gemeinderats zu verhaften.«
    »Hue!« sagte der König; »was hat er denn getan?«
    »Das kümmert mich nicht; aber er wird heute abend abgeführt und seine Papiere versiegelt werden.« – Dann sagte er beim Fortgehen zu Clery: »Nehmen Sie sich in acht! Es wird Ihnen ebenso gehen, wenn Sie Winkelzüge machen.«
    Am folgenden Tage, dem 3. September, war Ludwig XVI. um elf Uhr morgens mit seiner Familie in dem Zimmer der Königin. Ein Munizipalbeamter erschien und gab Clery Befehl, sich in das Zimmer des Königs zu begeben.
    Manuel war da, und bei ihm befanden sich einige Mitglieder des Gemeinderats. In allen Gesichtern war eine große Unruhe bemerkbar.
    »Was sagt der König zu der Verhaftung seines Kammerdieners?« fragte Manuel.
    »Seine Majestät ist sehr besorgt«, antwortete Clery.
    »Es wird ihm nichts geschehen«, antwortete Manuel; »ich habe indes Auftrag, dem König zu sagen, daß er nicht wiederkommen wird; sagen Sie ihm, daß ihm der Gemeinderat einen andern Kammerdiener schicken wird.«
    »Es ist nicht mein Amt, den König zu betrüben,« antwortete Clery; »verschonen Sie mich daher mit dieser Botschaft, die ihm sehr unangenehm sein wird.«
    Manuel sann eine kleine Weile nach. – »Es ist gut,« sagte er endlich, »ich will zur Königin gehen.«
    Er ging sogleich hinunter und fand den König.
    Ludwig XVI. hörte die Nachricht, die ihm der Gemeindeprokurator zu melden

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