Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
so daß mein Haß wieder wild aufflammte. In meinem Zorn ob der schändlichen Wiederholung solcher Beleidigung warf ich ihm einen vernichtenden Blick zu, indes meine Rechte, ohne daß ich dessen recht gewahr ward, sich um den Griff meines Degens legte, welchen ich in meinem Wahne wohl auch gezogen hätte; doch Miroul legte mir beschwichtigend die Hand auf den Arm, wodurch ich gleichsam wieder zu mir kam, mich umdrehte und mich, fast blind vor Wut, ohne Rücksicht durch die Menge drängte, von Miroul und Samson gefolgt, davon der erstere einige Ahnung von der großen Aufwallung meiner Gefühle hatte, während mein viellieber Bruder nichts begriff, sondern mit kindlicher Stimme immer nur wiederholte: »Was ist Euch? Was ist Euch?«, so daß ich schließlich mit erregter Stimme zu ihm sprach:
    »Mein Bruder, könnt Ihr nicht endlich Euer Lispeln lassen?«
    Worauf mein armer Samson, schweigend und errötend, gar traurig dreinblickte, so daß mich große Scham ob meiner Boshaftigkeit erfaßte; meinen Schritt verlangsamend, trat ich, da wir aus dem Schloßgebäude auf den Hof hinausgingen, an seine Seite, schob meinen Arm unter den seinen und preßte ihn stumm an mich. Indes wir Seite an Seite so dahingingen, fühlte ich mich ihm nach der ihm zugefügten Kränkung desto mehr zugetan.
    Als nun Miroul, welcher mit höchst beunruhigter Miene an meiner Rechten ging, sah, daß mein Sinn sich ein wenig besänftigt hatte, sagte er in okzitanischer Sprache zu mir:
    »Moussu, ist es zu beleidigenden Worten mit diesem Geck gekommen?«
    »Nein«, erwiderte ich unwillig, »nur zu Blicken.«
    »Gott sei gelobt!« sagte darauf Miroul mit feierlichem Ernst. »Ich hatte Schlimmeres befürchtet.«
    »Worte können nicht schlimmer sein als diese Art von Blicken.«
    »Aber Ihr habt es ihm Auge um Auge zurückgezahlt, Moussu«, entgegnete Miroul lächelnd, »Laßt es dabei bewenden! Ihr seid in dieses Paris gekommen, eines Duells wegen des Königs Gnade zu erflehen. Wollet Ihr Euch auf ein zweites Duell einlassen? Das wäre töricht gehandelt. Um so mehr, da Ihr diesmal Euer Leben dabei lassen könntet, denn dieser Fant handhabt die Klinge ganz vortrefflich.«
    »Das ist es ja, Miroul! Wenn dieser Laffe nicht so gut mit dem Degen umgehen könnte, würde er nicht wagen, sich bei jeder Gelegenheit so unverschämt aufzuführen. Und wenn ich den Schwanz einziehe angesichts seiner beleidigenden Blicke, wird er mich für furchtsam und feigherzig halten.«
    »Moussu, lasset Euch das nicht anfechten! Ihr seid nicht feigherzig. Wollt Ihr Euch von diesem Stutzer vor die Klinge fordern lassen, nur weil er Euch für einen Feigling ansieht? Ist es nicht gerade feigherzig, wenn man der Verachtung eines anderen soviel Macht über sich einräumt?«
    »Was bedeutet all dies?« fragte Samson, welcher höchstlich erstaunt unseren Disput angehört hatte. »Mein Herr Bruder, hat man Euch beleidigt?«
    »Keineswegs«, entgegnete ich mit einigem Unwillen. »Es handelt sich nur um Blicke.«
    »Moussu«, hub Miroul mit ernster Miene wieder an, »darf ich Euch in Erinnerung bringen, daß Euer Herr Vater Euch anempfohlen hat, in Fällen großer Bedrängnis meine Ansicht zu hören?«
    »Miroul«, erwiderte ich mit einem gezwungenen Lächeln, »ich höre. Was rätst du mir?«
    »Moussu, wenn Eure Augen und die jenes eitlen Gecken sich fürderhin bei jeder Begegnung gegenseitig beleidigen, werden auch Worte folgen, und die sind dann unwiderruflich. Ich rate Euch also, solange noch Zeit ist: wendet Eure Augen ab, so er Euch wieder anblickt, tut so, als nähmet Ihr die Beleidigung nicht wahr, damit Ihr nicht darauf zu antworten braucht; handelt wie der Marschall Tavannes, von dem berichtet wird, daßer sich taub stellte, als Coligny im Aufbrausen des Zornes wagte, seinen Mut zu bezweifeln.«
    »Miroul«, sagte ich mit niedergeschlagenem Blick, »ich komme zu dem Schluß, daß dein Rat wohl richtig ist. Ich werde ihn also befolgen.«
    »Oh, Moussu!« sprach da Miroul höchst besorgt, »Ihr werdet sogleich Gelegenheit dazu haben, viel eher, als ich gedacht! Dort ist er schon, dieser Klopffechter, und kommt geradewegs auf uns zu, begleitet vom Marquis d’O und von Maugiron. Um des Himmels willen, Moussu, haltet Euern Blick auf den Boden gerichtet oder auf mich oder Samson und sprechet weiter Okzitanisch und tut, als sähet Ihr ihn nicht!«
    »Es ist unbestreitbar, Miroul«, sagte ich auf okzitanisch mit gesenktem Kopf, doch unter den Wimpern hervor heimlich den Baron de

Weitere Kostenlose Bücher