Die Hebamme
…«
»Still, oder du weißt, was dir blüht.«
»Schon gut. Also was sind …«
»Miasmen sind wie ein Pesthauch, sagt … Jedenfalls sollen sie vom Atem oder vom Schweiß gebärender Frauen in die Luft kommen und krank machen.«
»Also, das hör ich zum ersten Mal. Bei uns gibt es so was nicht. Bei euch etwa? Hast du jemals …«
»In wie viele Häute ist das Kind eingeschlossen, und wie heißen diese? Kannst du mir das sagen, Lotte?«
Sie befragten sich viel in diesen Tagen.
Die Studenten kamen wieder zum Unterricht, und in einer seltsamen Fügung hatten in kurzen Abständen zwei Schwangere um Aufnahme gebeten.
Tagelöhnerinnen, trug die Haushebamme Textor ins Protokollbuch ein. Irgendetwas war schon wieder anders mit ihr, doch in gewohnter Weise war sie grob zu den Schwangeren und murrte über jeden Kessel Suppe, der für sie aufs Herdfeuer kam, während sie sich die Schürzentasche mit getrockneten Birnenscheiben füllte. Sie trieb die Frauen in den Keller, um Flachs zu holen, und ordnete an, dass sie sich mit Fleiß dem Spinnen zu widmen hätten, außer man holte sie zum Unterricht. Es befriedigte sie, den Schwangeren klar zu machen, dass es hier nichts umsonst gab. Derzeit hatte niemand Lust, sich mit ihr anzulegen, nicht mal Lotte.
Wenn die Frauen aus der Küche ihr Essen holten, erzählten sie den Schülerinnen, dass die schlechte Ernte ein Unglück für viele war. Man traf derzeit auf den Straßen des Landes eine Menge Leute, die nach neuen Dienstplätzen suchten. Die Arrestzellen würden bald voller Bettler und Landstreicher sein, sagte man in der Stadt.
Wenn auch die Studenten dagegen das Auditorium nach wie vor nicht eben füllten, so gab Professor Kilian sich zuversichtlich. Doktor Heuser wirkte abwesend wie immer.
Gesa erleichterte das mehr, als es sie betrübte, und Lotte verbot sie, weitere Anspielungen zu machen. Andernfalls, so hatte sie ihr gedroht, würde sie sich weigern, weiter mit ihr zu lernen, und sie verspürte nicht die geringste Hemmung, dem Folge zu leisten. Lottes kupplerischen Vermutungen und Fragen mochte sie nicht mal mehr im Stillen begegnen. Die Schritte des Doktors hörte sie noch in der Nacht. Sie wollte nicht mehr darauf achten, wo er stehen blieb und wie lange. Sie hörte den Stuhl über den Boden rücken, vermutlich zog er ihn näher zum Tisch.
Neulich, als sie ihn zu der kranken Schwangeren gerufen hatte, war er aufgesprungen und ihr auf der Stiege entgegengekommen. Das Innere der Studierstube, in der er so unendlich viel Zeit verbrachte, machte sie nicht im Geringsten neugierig. Es war ihr wichtiger zu sehen, in welcher Weise er sich um die Schwangere kümmerte, zu hören, was er mit dem Professor besprach und wie sie gegen das Fieber vorgingen.
Der Doktor und sie hatten sich nächtelang abgewechselt am Bett der Frau. Sie hatte ihn mit der Kleinen sprechen hören, die schneller gesund war als ihre Mutter. Doch mit ihr, Gesa, sprach er von sich aus sehr wenig. Nicht mehr, als über die Kranke zu sagen war. Anders verhielt es sich, wenn sie ihn befragte. Dann antwortete er ausführlich und achtete darauf, dass sie ihn verstand. Dann sah er ihr auch ins Gesicht. Er erklärte ihr, was es mit dem Fieber der Frau auf sich hatte und wie sie es würde senken können, auch ohne Chinarinde, was nur einem Arzt zur Verfügung stand. Ihn konnte nichts anderes beschäftigen als seine Arbeit. So, wie sie die bevorstehende Prüfung beschäftigte; es gab nichts zu deuten daran.
Gegenüber seufzte Lotte im Schlaf, als würde sie vergeblich nach unzähligen Antworten suchen. Der Hebammen-Katechismus, ein schmales, von Professor Kilian verfasstes Bändchen, lag mit seinen unzähligen Fragen neben ihrem Bett.
Gesa beugte sich hinüber und zog die Kerze über den Boden zu sich heran, den sie noch vor wenigen Stunden auf den Knien liegend gescheuert hatten, während immer eine von ihnen das Buch neben sich hatte.
Am Bettrand tastete Gesa nach der Leinentasche und löste die Bänder. Lange bevor Tante Bele angefangen hatte, sie mitzunehmen, wusste Gesa, was eine Hebamme bei sich haben musste. Sie war noch ein Kind, als Bele ihr beibrachte, Leinen in dünne Streifen zu reißen, und ihr bei der Gelegenheit erklärte, wie ein Nabel abgebunden werden musste. Bald überließ sie es Gesa, die Dinge zurechtzulegen, auf ihre Vollständigkeit zu achten und sie in ein sauberes Tuch zu schnüren: Bänder, Lappen, ein Schächtelchen mit Eichenschwamm zum Blutstillen, eine kurze Flasche aus
Weitere Kostenlose Bücher