Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
zu brüsten.«
Es war erstaunlich, dass sich das Buch Krieg und Frieden: Die wirtschaftlichen Folgen des Vertrags von Versailles so gut verkaufte. Zu zwei Dritteln bestand es aus einer detaillierten, oft technischen Polemik gegen die Reparationszahlungen. Damals und auch später wurde die Debatte über die Reparationszahlungen durch die enorm hohen Zahlen vernebelt. Für die meisten Menschen waren sie einfach zu hoch und zu abstrakt, auch für Politiker und Bankiers. Vor allem in einer Ära, als nur wenige Leute wussten, wie hoch das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands oder Großbritanniens war, oder was dieses Wort überhaupt bedeutete. Keynes schaffte es, diese ganze Verwirrung zu überwinden und all die Milliardenbeträge so darzustellen, dass es auch ein Durchschnittsbürger verstand.
Ein Buch voller Abbildungen und Tabellen über den Wert der Immobilien in Frankreich und Belgien, über die Zusammensetzung der deutschen Exporte und Importe 1914 und Schätzungen des Werts deutscher Eisenbahnen war nicht unbedingt ein Kandidat für einen Bestseller. Aber alle diese technischen Details erinnerten daran, dass hinter diesen abstrakten Zahlen eine Argumentation über die konkreten Dinge stand, die notwendig waren, um den Lebensstandard aufrechtzuerhalten.
Der Erfolg des Buchs war zum Teil den kunstvoll-sarkastischen Porträts zu verdanken, die es von den drei Großen in Paris zeichnete: Clemenceau »seelisch trocken und ohne Hoffnung, sehr alt und müde«; Wilson: »Sein Denken und sein Temperament … sind im Grund genommen theologisch, nicht intellektuell«, »sein Verstand ist … langsam und untalentiert«; und Lloyd George »mit sechs oder sieben Sinnen, die anderen Menschen nicht zur Verfügung stehen, einem abwägenden Charakter, unbewusst impulsiv, der wusste, was jeder dachte und sogar, was jeder als Nächstes sagen würde.« Von mehreren Leuten, darunter auch seine Mutter, ließ Keynes sich dazu überreden, einige der besten, aber auch aggressivsten Beschreibungen wegzulassen – vor allem das Porträt von Lloyd George: »Er hat keinerlei Wurzeln, ist leer und ohne Inhalt. … In seiner Gesellschaft überkommt einen das Gefühl einer letztendlichen Sinnlosigkeit, innerer Verantwortungslosigkeit und einer Existenz, die nichts mit unserem angelsächsischen Empfinden für Gut und Böse zu tun hat, vermischt mit Schlauheit, Unbarmherzigkeit und Liebe zur Macht.«
Was die Phantasie der Öffentlichkeit zu fesseln schien, war der Entwurf einer Weltwirtschaft, den Keynes zu zeichnen imstande war. In groben Zügen beschrieb er das Funktionieren der Wirtschaft zu Zeiten König Edwards vor dem Krieg, die fragilen Grundlagen, auf denen sie ruhte und die Schäden, die der Krieg ihr zugefügt hatte. Er zeichnete das düstere Bild einer Zukunft nach dem Zusammenbruch der Kräfte, die die alte Ordnung gestützt hatten. Manchmal klang das Buch wie eine Unheil verkündende Prophezeiung aus dem Alten Testament, sprach von einer »bedrohten Zivilisation« und von »Menschen, die durch Hunger nervlich zerrüttet in Hysterie und wahnsinnige Verzweiflung getrieben werden.« Der Ton des drohenden Untergangs mag für unsere Ohren übertrieben klingen, aber für eine Generation, die gerade die schrecklichste und offenbar sinnloseste Apokalypse erlebt hatte, klang er wahr.
Das Buch hatte auf der ganzen Welt enorme Auswirkungen auf die Einstellung gegenüber Reparationszahlungen. Die größten Veränderungen gab es in Großbritannien. Schon vor der Unterbrechung der Friedenskonferenz im Juni 1919 hatte Lloyd George damit begonnen, noch einmal über den Vertrag nachzudenken. Kurz vor Schluss hatte er sogar noch versucht, die beiden anderen Anführer davon zu überzeugen, die Bestimmungen abzumildern, aber Wilson hatte sich hartnäckig geweigert und gesagt, der Premierminister hätte »von Anfang an vernünftig sein müssen, dann müsste er jetzt am Ende nicht kneifen.« Es war nicht nur Lloyd Georges schlechtes Gewissen, das die Meinung in Großbritannien veränderte. Großbritannien, diese Nation von Ladenbesitzern, die endlich wieder ihren Geschäften nachgehen wollten, entdeckte die zentrale wirtschaftliche Bedeutung Deutschlands wieder. Als Außenminister verkündete Lord Curzon dem Kabinett, Deutschland sei »für uns das wichtigste Land Europas«. Frankreich aber hielt resolut an seiner nicht zu besänftigenden Gegnerschaft gegenüber dem alten Feind fest, und da die USA sich aus Europa heraushielten und Großbritannien
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