Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
Alliierten verlangen würden, wenn man auf diese Weise weiterverhandelte.
Im Mai 1921 entwickelten Beamte des britischen Finanzministeriums einen Vorschlag, den sie für so vernünftig hielten, dass es den Deutschen schwerfallen würde, ihn abzulehnen. Die Rechnung für die Reparationen sollte auf den Gegenwert von 12,5 Milliarden Dollar festgesetzt werden, in etwa 100 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts vor dem Krieg. Um die Zins- und Tilgungsverpflichtungen zu erfüllen, musste Deutschland pro Jahr zwischen 600 und 800 Millionen Dollar zahlen; etwas mehr als fünf Prozent seines jährlichen Bruttoinlandsprodukts.
Im Mai 1921 wurde der britische Vorschlag auf einer Konferenz in London akzeptiert. Es sah so aus, als habe man endlich eine Einigung erreicht. Die deutsche Delegation unter Führung des Außenministers Walter Rathenau machte viel aus diesem neuen politischen Anfang. Von nun an würde Deutschland seinen Widerstand gegen die Bestimmungen des Vertrags aufgeben und sie stattdessen »erfüllen«.
Das Problem dabei war, dass die Deutschen niemals wirklich daran glaubten, selbst diese Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Trotz der Tatsache, dass die neue Reparationsrechnung nun näher an den Beträgen lag, die liberale Kommentatoren wie Keynes ursprünglich vorgeschlagen hatten, blieben die deutschen Offiziellen davon überzeugt, dass sogar 12,5 Milliarden Dollar Reparationszahlungen sich als unerträgliche Belastung erweisen würden. Folglich strengten sie sich nicht wirklich an, um die Bestimmungen der Londoner Vereinbarungen zu erfüllen. Planmäßig zahlten sie nur einmal. Schon sechs Monate nach der Einigung in London waren sie im Zahlungsrückstand und standen wieder vor der Reparationskommission, wo sie um einen Zahlungsaufschub baten. Von den 1,2 Milliarden Dollar, die Deutschland in den ersten 18 Monaten des Plans schuldete, wurde wenig mehr als die Hälfte bezahlt.
Während Deutschland entschlossen versuchte, sich durch Verhandlungen von der Last der Reparationen zu befreien, entwickelte sich die deutsche Wirtschaftspolitik noch schlechter als sie im Krieg ohnehin schon gewesen war. Es gab dort ständig Unruhen, das Land stand dauernd am Rand einer Revolution, hatte eine Reihe schwacher Koalitionsregierungen und war nicht in der Lage, seine Finanzen zu kontrollieren. Zusätzlich zu den hohen verbliebenen Kosten des Kriegs – Renten für Veteranen und Kriegerwitwen, Ausgleichszahlungen für Bürger, die wegen des Versailler Vertrags Grundbesitz in den nun zu anderen Ländern gehörenden Regionen verloren hatten – übernahmen die Regierungen auch enorme neue soziale Verpflichtungen: einen Acht-Stunden-Tag für die Arbeiter, Arbeitslosenversicherung, Gesundheits- und Wohlfahrtskosten für die Armen und Kranken. Die meisten seiner Finanzprobleme hatte sich Deutschland selbst zuzuschreiben. Dennoch machten die Reparationszahlungen eine ohnehin schon schwierige Finanzsituation endgültig unmöglich. Zur Finanzierung dieser Lücke wandten sich die verschiedenen Regierungen Deutschlands an die Reichsbank, die das Geld drucken sollte.
1914 stand der Dollar-Wechselkurs der Mark bei 4,20, was bedeutete, dass eine Mark etwas weniger als 24 Cents wert war. Anfang 1920, nachdem die vollen Auswirkungen der inflationären Kriegsfinanzierung sich auf das System gezeigt hatten, stand der Dollar bei 65 Mark, die jetzt nur noch 1,5 Cents wert war, und das Preisniveau lag neunmal höher als 1914. Trotz eines enormen Haushaltsdefizits und eines 50-prozentigen Anstiegs der umlaufenden Geldmenge verlangsamte sich die Inflation in den folgenden 18 Monaten, und die Mark stabilisierte sich sogar. Ausländische Privatspekulanten wetteten darauf, dass die Mark zu stark gesunken war und brachten etwa zwei Milliarden Dollar ins Land. Schließlich handelte es sich um Deutschland, das vor dem Krieg nicht zu unrecht als Muster an Stabilität, Ordentlichkeit und Organisation gegolten hatte. Es schien unvorstellbar, dass dieses Land es sich erlauben würde, in einer Orgie monetärer Selbsterniedrigung zu versinken, statt die Ordnung wiederherzustellen.
»So etwas hat es in der Geschichte der Spekulation noch nie gegeben«, schrieb Maynard Keynes. »Bankiers und Dienstmädchen beteiligten sich gleichermaßen daran. Jeder in Europa und Amerika hat Mark-Banknoten gekauft. Sie wurden in den Straßen der Hauptstädte verkauft und von Friseurgehilfen in den entlegensten Gegenden Spaniens und Südamerikas
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