Die Herrin der Kelten
Feuer auf, um die geretteten Rüstungen umzudrehen, als Curaunios, zweiter Offizier der Greylag , vom Strand aus rief.
»Hierher! Helft mir mal! Hier ist einer, der noch lebt! Wo ist die Heilerin?«
Der Ruf nach der Heilerin war angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem Fremden wahrscheinlich um einen Römer handelte, schon etwas merkwürdig, doch später erfuhr Breaca, dass Curaunios aus Gallien stammte, aus jenen Familien unter den Aedui, die Rom nicht immer und grundsätzlich als Feind betrachteten. Breaca rannte mit Macha zum Strand hinunter und fand die beiden Männer im Sand kniend vor, während der eine einen Schwall von Wasser erbrach, so wie Caradoc es getan hatte, und der andere ihn behutsam stützte. Es war das erste Mal, dass Breaca sowohl einen lebenden Römer als auch einen der Krieger aus dem südlichen Gallien sah. Der Gallier war hünenhaft groß und stämmig, ein massiger blonder Bär von einem Mann, seine Haut gerötet durch die Peitschenhiebe der See, sein Haar bereits mit grauen Strähnen durchzogen.
Der Römer war wesentlich jünger, nicht viel älter als Caradoc. Er war nackt, seine Haut von der Sommersonne dunkel gebräunt. Selbst aus einiger Entfernung konnte Breaca die roten Striemen in seinen Handflächen sehen, wo Stricke tief in seine Haut eingeschnitten hatten, und die mit Wasser vollgesogenen Hautfetzen, die lose von seinen Schultern herabhingen. Noch spektakulärer aber war das Netz von kreuz und quer verlaufenden Kampfnarben, das seinen gesamten Oberkörper überzog. Anders als bei den Sklaven und mehr wie bei den Legionären, war der Hauptteil dieser Narben jedoch nicht auf seinem Rücken, sondern auf seiner Brust und seinem rechten Unterarm, wo er von feindlichen Schwertklingen verletzt worden war, und alle diese Narben waren alt. Auf seiner linken Körperseite, unterhalb seiner Rippen, ließ eine von runzliger Haut überzogene Grube, groß genug, um eine geballte Faust aufzunehmen, dunkelrot entzündete Linien um den Rand erkennen. Die schlecht verheilte Fleischwunde sagte noch deutlicher als Worte, dass er den Sommer mit Kämpfen verbracht hatte und dass er zwar gelernt haben mochte, die Schwerthiebe abzuwehren, die seine Kehle zu durchtrennen drohten, aber sehr viel weniger geschickt darin gewesen war, dem Speer auszuweichen, der durch seine Rippen auf sein Herz gezielt hatte.
Caradoc, der mehr praktische Erfahrung im Kampf gegen die Römer hatte, sagte: »Ein Reiter«, als ob das die Erklärung wäre, und spuckte verächtlich auf den Boden. Die anderen versammelten sich um ihn und betrachteten das Kuriosum, nicht sicher, was zu tun war. Segoventos drängte sich an ihnen vorbei und baute sich vor dem Mann auf, um ihm in kummervoller Ausführlichkeit alle die Verfahren zu erklären, mit denen das Schiff noch in Sicherheit hätte gesteuert werden können. Segoventos fühlte sich mehr noch als irgendeiner der anderen schuldig, weil er tatenlos zugesehen hatte, wie ein Schiff starb, und nicht sein eigenes Leben riskiert hatte, um es zu retten. Er sprach zu dem Römer, um seine Seele von der Schuld reinzuwaschen, und nicht etwa deshalb, weil er erwartete, gehört zu werden.
Der Römer war aber nicht der Kapitän des Schiffes gewesen, und er hatte kein Gefühl für die See. Er wusste nur, dass er allein war und von Fremden umzingelt, und noch dazu in einem Land, das zu besuchen er niemals die Absicht gehabt hatte. Als er wieder richtig Luft holen konnte, ohne zu husten oder zu würgen, schüttelte er die helfenden Hände ab, stützte sich mit beiden Fäusten auf den nassen Sand und erhob sich langsam.
Und erstarrte mitten in der Bewegung. Die Spitze von Breacas Schwert grub sich in die vom Wasser aufgeweichte Haut unter seinem Kinn und ließ einen Blutstropfen hervorquellen. Caradoc, Krieger dreier Stämme, der schon mindestens einmal im Kampf getötet hatte, hielt das Schwertheft umschlossen und die Klinge waagerecht. Breaca stand zehn Schritte entfernt, die leere Schwertscheide auf ihren Rücken geschnallt, ihre Hände locker an den Seiten. Sie hatte Caradoc das Schwert verpfändet; sie würde ihn nicht davon abhalten, es auch zu benutzen, sofern sein Feind nicht zu den Eceni gehörte. Ihre vernarbte Hand pulsierte schmerzhaft.
»Du bist Römer?« Caradoc stellte seine Frage auf Lateinisch, ruhig und vollkommen emotionslos. Selbst für Breaca, die keine Kenntnis von dieser fremden Sprache hatte, war die Bedeutung seiner Worte klar.
Der Fremde starrte ihn nur an und sagte
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