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Die Herrin der Kelten

Die Herrin der Kelten

Titel: Die Herrin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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hatte sich verändert, so als ob etwas in ihrem Inneren zerbrochen wäre und als ob sie Trost brauchte, mehr als jemals zuvor. Sie und Breaca saßen zusammen, standen einander in ihrem Schmerz bei, und weinten um das, was sie verloren hatten. Keiner, der der älteren Großmutter nicht gedient hatte, konnte den Kummer auf diese Weise nachvollziehen. Schließlich forderte Macha die beiden jungen Frauen auf, sich zu erheben und ihre Plätze am Feuer einzunehmen, um noch einmal die letzten Fäden der Wiederkehr-Zeremonie aufzunehmen. Wäre Breaca dem traditionellen Weg gefolgt, wäre sie jetzt mit der älteren Großmutter und den anderen Träumern zusammengetroffen und hätte ihnen ihre Geschichte erzählt. Die anderen hätten sie verstanden und die Wahrheit, die darin versteckt lag, für Breaca aufgedeckt. Doch obwohl die ältere Großmutter nun nicht mehr unter ihnen weilte, wäre es nicht richtig gewesen, den anderen, die sie schließlich ebenfalls geliebt hatten, ihre letzten Worte vorzuenthalten. Also setzte sich Breaca ans Feuer und erzählte allen die Geschichte von ihren Nächten in der Einsamkeit, von der leeren Trostlosigkeit der Kälte und von dem Nebel, der sie bei ihrer Reise über den Fluss begleitet hatte, von der Begegnung mit der Wasserratte und von all den Dingen, die sich auf der anderen Seite des Grabhügels ereignet hatten.
    Nachdem sie geendet hatte, versank sie in Schweigen. Eine der älteren Frauen ergriff daraufhin das Wort; es war die Schwester von Eburovics Mutter, und sie war gleich nach der Großmutter die älteste der Frauen, was sie, wenn man es genau betrachtete, nun zur neuen älteren Großmutter machte. Sie war eine Handelnde, keine Träumerin; sie zauberte mit Hilfe von Leder und Holz und nahm Dinge, die Eburovic hergestellt hatte, und verlieh diesen eine Bedeutung und eine Ausstrahlung, die Silber oder Gold allein niemals hätten schaffen können. Im letzten Jahr hatte sich die Arthritis in ihren Hüften eingenistet, und sie verlor die Kraft in ihren Beinen. Breaca lauschte dem Rhythmus ihrer Stimme, nicht jedoch den Worten, die sie sprach, und fragte sich dabei, ob dies eine notwendige Eigenschaft für die Position der älteren Großmutter war, nämlich dass sie die Augen und Glieder von anderen brauchte, die ihr halfen, und wenn dies der Fall sein sollte, wer dann derjenige sein würde, der dieser älteren Großmutter zu dienen hatte. Zum ersten Mal war sie froh darüber, dass sie die Kindheit hinter sich gelassen hatte und zur Frau geworden war, denn somit konnte sie nicht mehr zu dieser Pflicht herangezogen werden.
    »Breaca?« Macha hatte ihren Namen schon zweimal gesagt, doch Breaca hatte sie nicht gehört. Sie hob den Kopf. Die Welt um sie herum drehte sich langsam, und ihre Gedanken waren nicht schnell genug, um mit dem Geschehen mithalten zu können. Sie zwang sich, ihre Aufmerksamkeit auf die Bewegungen von Machas Mund zu konzentrieren, um auf diese Weise ihre Worte auszumachen. »Breaca, du musst deinen Schild bemalen, jetzt, bevor du schlafen gehst. Wir werden dir die Farbe holen und dir helfen, aber du musst den Schlangenspeer so malen, wie du ihn gesehen hast. Schaffst du das?«
    Breaca schloss die Augen und sah den Krieger der Ahnen vor sich, mit dem aufgemalten Schlangenspeer auf seinem Unterarm. In Gedanken trat sie noch näher an ihn heran, um auch jedes Detail erkennen zu können. Dann öffnete sie wieder die Augen. »Ich glaube schon, ja.«
    »Welche Farbe brauchst du?« Es war die ältere Großmutter - die neue ältere Großmutter -, die diese Frage stellte. Sie kannte sich mit den Farben und ihrem Herstellungsprozess besser aus als jeder andere, und sie würde jede verlangte Farbe, ganz gleich, welche, zur Hand haben, wenn Breaca nur die Antwort gewusst hätte. Aber sie wusste sie nicht. »Die Männer haben den Speer mit Färberwaid auf ihre Haut gemalt, mit dem blauen Färberwaid, der mit Eiweiß gemischt wird, nicht mit dem silbernen, der mit Bärenfett angesetzt wird.«
    »Hat sie… hat man dir gesagt, dass du ihn in Blau malen sollst?« Neben Breaca saß Airmid, die nun nicht länger weinte, sondern langsam und bedächtig sprach, weil sie diejenige war, die diese Erfahrung als Letzte vor Breaca gemacht hatte, und weil es ihr möglicherweise am wichtigsten war, dass die Zeichnung richtig ausgeführt wurde.
    Breaca schüttelte den Kopf. »Das hat sie nicht gesagt. Sie sagte nur, dass ich Bán fragen solle, wie er den Schlangenspeer in seiner Vision gesehen hat.

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