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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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Was ist, wenn dieser Tag sich nicht als mein Anfang erweist, sondern als mein Untergang?, ergänzte ich stumm. In der Stille, die nun eintrat, sah ich eine graue, neblige Welt vor mir und mich gefangen in einer lieblosen Ehe, in der sich endlose Tage ohne jeden Sinn aneinanderreihten. Ich würde genauso dahinwelken wie unzählige andere vor mir, zu einem Schatten meiner selbst werden, ohne Licht, ohne Farbe, ohne Glanz, bis der Tod mich erlöste.
    Ursulas Stimme riss mich jäh aus meinen finsteren Gedanken. »Dann«, sagte sie, packte meine Schultern und sprach, als hätte sie in meinen Kopf gesehen, »werdet Ihr den Rat Eures Vaters befolgen. Wisst Ihr noch, was er Euch immer gesagt hat?«
    »›Das Schicksalsrad dreht sich, und bringt es uns Kummer statt Freude, müssen wir uns unserem Schicksal mit Würde stellen. Denn die Hand Gottes wirkt in allem‹«, zitierte ich, wobei ich im Geiste sein Lächeln sah. Ich blinzelte das Bild fort und beschwor eine Erinnerung herauf, die mich sogleich heiterer stimmte. »Aber zunächst einmal will ich tun, was mir einst ein sehr weiser Mensch riet.« Ich schöpfte tief Atem und sah Ursula an. »Kinn nach oben, Busen nach vorn, und alles wird gut.«
    Am Lastkahnhaus erwartete mich der elegante goldene Kahn des Earl of Salisbury, der mit bunten Bändern und kleinen Gobelins geschmückt war. Auf den glitzernden Wellen sah er prachtvoll aus, dennoch stockte mir das Herz, und ich blieb stehen. John war nicht da. Weder hatte er geschrieben, noch war er hergekommen.
    Ich rang um Fassung, ließ Ursulas Hand los und fühlte nach dem Rubinkreuz meiner Mutter, das zwischen den Perlen an meinem Hals hing. Dann reckte ich das Kinn und zwang mich, würdevoll steif vorwärtszugehen. Eine kräftige Gestalt mit ergrautem Schnauzbart, der jedoch offenbar einmal rot gewesen war, und in einer Tunika mit dem Neville-Schragen schritt respektvoll auf mich zu, als ich durch den Torbogen auf den Pier kam.
    »Sir John Conyers, zu Euren Diensten, Mylady«, begrüßte er mich und verneigte sich.
    Der Name war mir schon bekannt. Sir Conyers war nicht bloß ein erfahrener Kämpfer, der in den französischen Kriegen unter dem Earl gedient hatte, sondern auch ein guter Freund der Nevilles und durch Heirat mit ihnen verwandt.
    Ursula umarmte mich zum Abschied. »Nur Mut!«, flüsterte sie mir zu.
    Ich drückte sie. Dann raffte ich meine Röcke und ließ mir von Sir Conyers in den Kahn helfen.
    »Der Earl of Salisbury bat mich, Euch auszurichten, dass Sir John Neville in diesem Moment von Bisham zurückkehrt, sonst wäre er selbst gekommen, Euch zum Erber zu begleiten.«
    Es verschlug mir die Sprache. Bei Gott, solch eine simple Erklärung für Johns Ausbleiben war mir gar nicht in den Sinn gekommen! »Ich danke Euch, Sir Conyers«, sagte ich und fasste frischen Mut, als ich mich auf eines der scharlachroten Kissen unter dem Gobelinbaldachin setzte.
    Die Kahnschiffer ließen ihre langen Stöcke zu Wasser, und bald wurde Ursula auf dem Steg immer kleiner. In meinem Kopf herrschte ein Durcheinander von Hoffnung und Furcht, und mein Herz klopfte vor gespannter Erwartung. Gewiss fühlt sich manch ein Ritter ähnlich, wenn er in die Schlacht zieht und nicht weiß, ob er den morgigen Tag erleben wird, dachte ich.
    Auf der Themse wimmelte es von schlichten Booten, vergoldeten Kähnen und Schiffen in allen erdenklichen Farben, die im Sonnenschein leuchteten. Sir Conyers winkte einem uns entgegenkommenden Schiff. »Sir Marmaduke Constable, ein anderer Neville-Gutsverwalter und guter Freund von mir«, erklärte er.
    Ich nickte und reckte das Gesicht in die Sonne. Über uns huschten ein paar Wolken hinweg, und der Wind wehte sanft an mir vorbei. Wir passierten stattliche Residenzen, Badehäuser, Schankwirtschaften und so viele Kirchen, dass ihre Türme den Himmel über London einem Lanzenheer gleich aufzuspießen schienen. Auf dem Wasser fand ein ebenso reger Handel statt wie in den Straßen, nur dass hier anstelle des Karrengerumpels und des Dunggestanks eine beinahe wohlriechende Frische herrschte. Möwen schrien, und Schwanenflügel rauschten an uns vorbei. Fetzen von Gesang erreichten mein Ohr; sie kamen von Seeleuten, deren Schiffe mit Ladungen von Wolle nach Calais fuhren. Ihre großen Segel knallten und blähten sich im Wind. Auf einem der Schiffe stand ein Captain an Deck, der seine Kappe abnahm und sich zu mir verneigte. Mir wurde gleich ein wenig leichter ums Herz.
    Aus dem Augenwinkel nahm ich ein silbriges

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