Die Herrin Thu
die Hurenhäuser und Bierhäuser von Pi-Ramses anzusehen.“ Sie hielt eine Hand hoch und kam damit Kamens zornigem Protest zuvor. „Für mich ist es leichter, den Häschern des Generals zu entgehen“, sagte sie nachdrücklich. „Sorge dich nicht um mich. Kümmere dich lieber um deine Verlobte.“ Takhuru rutschte vom Lager und ging mit leuchtenden Augen zu Thu.
„Ich möchte mit dir gehen, Thu“, sagte sie. „Ich habe auch noch keine Gelegenheit gehabt, die Stadt zu erforschen.“ Jetzt geriet Kamen außer sich.
„Das kommt überhaupt nicht in Frage!“ schrie er. „Takhuru, habe ich dir nicht gesagt, daß das hier kein Spiel, kein ausgedachtes Abenteuer ist? Tu jetzt, was ich sage! Pack die Sachen, die du brauchst, und dann gehen wir.“ Takhuru errötete. Sie reckte das Kinn und hielt seinem wütenden Blick stand, doch sie senkte ihren als erste.
„Ich weiß nicht, wie man packt“, wehrte sie sich schmollend, und da bot sich Thu an.
„Laß mich das machen, Herrin“, sagte sie freundlich, doch ihre Stimme klang belustigt. Die beiden Frauen verschwanden im anderen Zimmer, und Kamen und ich blickten uns an.
„Es könnte klappen, Kaha“, sagte Kamen mit gedämpfter Stimme. „Und falls nicht, dann müssen wir uns Paiis und Hui selbst vornehmen.“ In seinen Augen war ein hartes Funkeln, Thus Erbe.
„Wir müssen uns beeilen“, sagte ich laut. „Wir müssen dieses Haus verlassen, während alle Mittagsruhe halten.“ Mehr war dazu nicht zu sagen, und dann warteten wir ergeben auf die Rückkehr der Frauen.
Thu hatte alles abgelegt, was sie als Mitglied von Nesiamuns Dienerschaft verraten konnte. Die Sandalen, das gelbe Hemdkleid, das Haarband und das Kupferarmband waren verschwunden. Sie ging barfuß und trug ein grobes, wadenlanges Leinenhemd. Statt dessen trug nun Takhuru die Dienstbotenkleidung ihres Vaters. Sie zog einen großen und unhandlichen Lederbeutel hinter sich her. Kamen hob ihn hoch und hievte ihn auf die Schulter. „Wir gehen jetzt hinunter und verlassen das Haus durch den Dienstboteneingang“, sagte er. „Mutter, in der Straße der Korbverkäufer gibt es ein Bierhaus, das heißt der Goldene Skorpion. Da trinken Achebset und ich oft ein Bier. Und dort triffst du dich jeden dritten Abend mit ihm und bekommst Nachricht von mir.“
Wir standen alle aufbruchbereit, doch auf einmal zögerten wir. Thu hatte die Arme verschränkt und blickte aus dem Fenster. Takhuru zupfte an dem ungewohnten Hemdkleid, und Kamen blickte mit verkniffenem Mund zu Boden. Ich wollte die stille Geborgenheit dieses Zimmers auch nicht verlassen, doch jeder von uns wußte, daß diese Geborgenheit trügerisch war und die Mauern nach Einbruch der Nacht keine Sicherheit mehr boten. Schließlich blickte Kamen auf und wollte gerade etwas sagen, als an die Tür geklopft wurde. „Was ist?“ fragte Takhuru scharf.
„Mit Verlaub, Herrin“, kam die gedämpfte Antwort. „Der Besucher deines Vaters ist gegangen, und deine Mutter läßt dir mitteilen, daß das Mittagsmahl aufgetragen ist.“
„Richte ihr aus, daß ich heute morgen erst spät gegessen habe und sie nach dem Mittagsschlaf aufsuchen werde“, rief Takhuru, und dann hörten wir die Schritte auf dem Gang verklingen. Das Mädchen lächelte matt. „Es gefällt mir nicht, daß ich meiner Mutter Sorgen machen muß“, sagte sie. Kamen streichelte ihr übers Haar.
„Doch nur für eine Nacht“, sagte er mit einer Spur gänzlich männlicher Ungeduld. „Möchtest du lieber hier bleiben und Gefahr laufen, daß du in deinem Bett ermordet wirst?“ Ihre Augen funkelten.
„Es ist nicht dumm, wenn man seinen Lieben Kummer ersparen möchte“, fuhr sie ihn an und ging zur Tür. Kamen stammelte eine Entschuldigung, dann folgten wir ihr.
Wir verließen das Haus vorsichtig, doch unangefochten. Nesiamun und seine Frau speisten im Eßsaal. Als wir uns die Treppe hinunterschlichen, konnten wir ihre Stimmen hören und dazu die ehrerbietigen Antworten der Diener, die ihnen aufwarteten. Das übrige Haus wirkte leer. Die Mitglieder des Haushalts, die nicht benötigt wurden, hatten sich zur Mittagsruhe in ihre Zimmer zurückgezogen. Auch der Garten war vorübergehend menschenleer, die Gerätschaften des Gärtners lagen neben dem gewundenen Pfad. Takhuru führte uns zur Grenzmauer des Anwesens am hinteren Ende des Gartens, dann schlichen wir uns so gerade außer Sichtweite der Dienerschaft auf Umwegen zum Dienstboteneingang fern des Haupteingangs. Er wurde von einem
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