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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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einsamen Soldaten bewacht, der uns schläfrig durchwinkte und sich flüchtig verbeugte.
    Wir befanden uns jetzt auf dem Weg am Wasser, den wir schweigend einschlugen. Es war die schläfrige Stunde, wenn alle Arbeit ruht. Schließlich erreichten wir Mens Tor. Hier blieben wir im Schutz der Mauer stehen. Thu schloß Kamen in die Arme und drückte ihn an sich. „Die Posten am See achten anscheinend nicht darauf, wer den Bereich verläßt, sondern nur darauf, wer hineingeht“, sagte sie, als sie ihn wieder losließ. „Ich komme also ohne Schwierigkeiten hinaus. Am zweiten Abend ab heute bin ich im Goldenen Skorpion. Möge Wepwawet für uns einen Weg aus dieser Notlage finden.“ Sie verweilte nicht, sondern drehte sich um und entfernte sich rasch. Kamen seufzte.
    „So habe ich sie das erste Mal gesehen“, sagte er. „In grobes Leinen gekleidet und barfuß. Hoffentlich bleibt das nicht meine letzte Erinnerung an sie. Also, laßt uns hineingehen.“
    Wie bei Nesiamun achteten wir darauf, daß uns niemand bemerkte. Es war von großer Wichtigkeit, daß uns kein Dienstbote sah, zumindest nicht bis zu Mens Rückkehr, denn ich kannte zwar Mens gesamte Dienerschaft, und die war treu gesinnt, doch ein zufälliges Wort in ein aufmerksames Ohr, und es war um uns geschehen. Glücklicherweise wollte niemand die tägliche Verschnaufpause durcharbeiten. Kamen begleitete Takhuru durch das schlafende Haus zu den Räumen seiner Mutter, und ich ging geradewegs zu Pa-Bast.
    Der lag nackt auf seinem Lager. Er hatte die Binsenmatte vor seinem Fenster heruntergelassen, so daß ihn das grelle Licht des Frühnachmittags nicht blendete, und schnarchte sacht vor sich hin, als ich durch das schattige Zimmer zu ihm ging und ihn behutsam rüttelte. Mit einem Ruck wurde er wach, fuhr hoch und strich sich mit der Hand über die Wange, wo das Kissen einen Abdruck hinterlassen hatte. „Kaha“, sagte er mit belegter Stimme. „Gibt es Probleme im Haus?“
    „Nein“, antwortete ich. „Aber Kamen ist mit Takhuru hier. Er hat sie in Shesiras Räumen untergebracht. Das kann man unmöglich geheim halten, du mußt also in die Dienstbotenzellen gehen und alle ermahnen, daß sie unbedingt den Mund halten. Davon hängen Leben ab, Pa-Bast.“ Der war jetzt hellwach und blickte mich so durchdringend an, wie es anscheinend alle Haushofmeister im Umgang mit Untergebenen lernen. Doch ich war kein Untergebener. Meine Stellung im Haushalt war genauso hoch wie seine.
    „Den Göttern sei Dank, Kamen lebt“, sagte er. „Du solltest mir lieber alles erzählen. Ich habe schon geargwöhnt, daß du mehr weißt, als du preisgeben wolltest, aber jetzt muß ich dich darum bitten, daß du dich mir anvertraust, sonst schicke ich auf der Stelle zu Nesiamun. Vermutlich weiß er nicht, wo Takhuru ist?“
    „Nein. Und ich glaube nicht, daß er ihr Verschwinden schon bemerkt hat, doch das ist nur eine Frage der Zeit. Es ist eine lange Geschichte, Pa-Bast. Schwörst du, daß du mich ohne aufzubrausen bis zu Ende anhörst?“ Er nickte.
    „Ich habe dich immer geachtet, Kaha“, sagte er. „Ich höre dir zu.“
    Und so erzählte ich ihm alles, und als ich schloß, war die Ruhestunde vorbei. Er hatte mich mit ein paar gezielten Fragen unterbrochen, sonst aber aufmerksam gelauscht, ohne sich etwas anmerken zu lassen, hatte seine Gefühle verborgen, wie es sich für einen guten Haushofmeister schickte. Ich schwieg. Er stand auf, suchte seine Kleidung zusammen, das lange, lose Gewand seiner Stellung, das dazugehörige Armband, das rote Band von Mens Haushalt, das er sich um den rasierten Schädel band. Er kleidete sich methodisch, jedoch ohne nachzudenken an. Ich merkte, daß er mit seinen Gedanken woanders war. Dann sagte er: „Ich kenne Harshira, den Haushofmeister des Sehers, sehr gut. Und den Haushofmeister des Generals auch. Von ihnen habe ich auch nicht das leiseste Gerücht über diese Sache gehört.“
    „Natürlich nicht“, gab ich zurück. „Sie sind ihren Gebietern treu ergeben. Sie klatschen nicht. Du ja auch nicht, Pa-Bast. Aber du kannst mir glauben, daß ich
    Harshira besser kenne als du. Ich habe jahrelang mit ihm zusammengelebt. Er hat genau wie ich für Hui gelogen. Bitte, glaube mir zuliebe etwas von der ganzen Geschichte und hebe dir dein Urteil für morgen auf, wenn unser Herr heimkommt.“ Er hatte inzwischen seine Sandalen zugebunden und stellte sich einen Augenblick vor seinen kleinen Schrein, der dem Apis-Stier, seinem Schutzgott, geweiht war.

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