Die Herrin Thu
Haushofmeister einfach zuwider sein mußte. Es war nur noch eine Frage der Zeit, daß die reguläre Polizei die Stadt nach der Frau aus Aswat durchkämmte, und ich konnte nur hoffen, daß sie erst an unsere Tür klopften, wenn Men wieder daheim war. Was war, wenn unser Gebieter beschloß, noch in Fayum zu bleiben und sich seiner Karawane auf ihrer Rückreise anzuschließen? Bei dem Gedanken schauderte mir.
Doch ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen. Eine Stunde nach Sonnenuntergang störte ein Tumult den beschaulichen Frieden unseres Hauses, und in der Eingangshalle herrschte Trubel. „Pa-Bast! Kaha! Kamen, wo bist du? Komm herunter! Wir sind wieder da!“ Als ich auf dem Weg zur Treppe an Kamens Tür vorbeikam, ging die gerade auf, und unten hörte ich Shesira beschwichtigend sagen:
„Men, schrei nicht so. Sie wissen schon, daß wir zurück sind. Tamit, bring sofort die Katze in die Küche, und dann kommst du zurück und wäschst dir vor dem Essen die Hände. Mutemheb, sorge dafür, daß die Diener die Kleider und Kosmetikkästen nach oben bringen. Den Rest können sie stehen lassen, bis sie gegessen haben. Kamen! Mein Schatz! Mein Gott, bist du schon immer so groß gewesen?“
Ich wußte, daß Men gleich in sein Arbeitszimmer gehen und sich einen Überblick über die Geschäfte verschaffen würde, ehe auch er essen wollte, doch in dem Augenblick, als ich die unterste Stufe erreichte und er mich ins Arbeitszimmer rief, drängte sich Kamen an mir vorbei und packte seine ältere Schwester beim Arm. Er flüsterte ihr etwas ins Ohr. Vermutlich bereitete er sie darauf vor, daß jemand in den Räumen seiner Mutter gewohnt hatte. Hoffentlich war er so geistesgegenwärtig gewesen, Takhuru erst einmal schnell in sein Zimmer zu bringen. Mutemheb nickte, schenkte ihm ein Lächeln, küßte ihn und wandte sich an die Diener, die sich mit einem Berg von Truhen und Kästen abmühten.
Shesira wartete mit ausgebreiteten Armen. „Mein schöner Sohn!“ zwitscherte sie. „Komm, umarme mich! Paiis läßt dich zu hart arbeiten. Oder du verbringst zu viele Nächte im Bierhaus. Du siehst abgehärmt aus. Wie geht es Takhuru?“ Ich sah, daß Kamen zögerte, und wußte, was ihm durch den Kopf schoß. Ein
Vergleich, unerbeten, aber dennoch eindringlich, zwischen dieser sanften und schönen Frau, die sich so selbstsicher auf ihre Stellung in der Welt verließ, und der Fremden mit der dunklen, schillernden Vergangenheit, die bei ihm starke Gefühle geweckt und alles, was bislang in seinem Leben gegolten hatte, umgeworfen hatte, schien ihm durch den Kopf zu gehen. Er ging zu ihr, ließ sich beflissen umarmen, entzog sich wieder und küßte sie auf die geschminkte Schläfe, an der das ergrauende Haar zurückgekämmt war.
„Ich sehe müde aus, Mutter, das ist alles“, sagte er. „Sag, hast du dich gut erholt? Wie steht es in Fayum? Was will Vater in diesem Jahr pflanzen?“
„Keine Ahnung“, antwortete sie. „Er und der Aufseher sind mit gerunzelter Stirn überall herumgestapft und haben sich beraten. Ich möchte, daß er das Haus dort unten vergrößert. Es ist nämlich zu klein, viel zu klein für Familienzusammenkünfte, wenn ihr, du und Takhuru, mir Großkinder schenkt. Der Springbrunnen im Garten ist auch entzwei, nur daß dein Vater selbst so eine einfache Sache, wie einen Steinmetz zu bestellen, immer wieder auf die lange Bank schiebt. Aber“, und hier schenkte sie ihm wieder ihr strahlendes Lächeln, „es ist ein gesegnetes Fleckchen Erde, und ich fahre gern dorthin. Doch Mutemheb hat sich über den Müßiggang geärgert und immer wieder versucht, Tamit zu bewegen, während unserer Abwesenheit von hier mit ihrem Unterricht weiterzumachen.“
„Tamit gibt einmal eine sanfte Ehefrau ab, mehr nicht“, meinte Kamen. „Sie ist ein artiges Kind, zufrieden und nicht ehrgeizig. Nörgele nicht zu viel an ihr herum, Mutter.“ Ihre mit Khol umrandeten Augen forschten in seinem Gesicht.
„Du hast Sorgen, Kamen“, sagte sie leise. „Ich merke doch, daß es dir nicht gut geht. Ich bin müde, hungrig und brauche ein Bad, aber komm bitte später noch zu mir. Kaha! Da bist du ja! Morgen möchte ich mit dir und Pa-Bast eine Bestandsaufnahme aller Haushaltsdinge machen. Wir haben schon fast Tybi, und diese Arbeit muß wie jedes Jahr zum Krönungsfest des Horus abgeschlossen sein.“ Sie seufzte glücklich. „Ach, es ist schön, wieder daheim zu sein!“ Ich verbeugte mich vor ihr, und in diesem Augenblick rief mich Men
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