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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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wenig von der Pforte zurück. Die Wachtposten begannen eine Unterhaltung und übersahen uns. Der Weg hinter uns lag jetzt ruhig da. Ab und an verirrte sich ein vereinzeltes Licht darauf, ein Diener, der wohl einen Botengang machte. Müdigkeit überfiel mich, und das Gesicht meines Gebieters wirkte in der Dunkelheit eingefallen. War Kamen noch am Leben? Ich war so müde, daß ich nicht mehr daran glaubte. All unsere Mühe war vergebens gewesen.
    Der Herold brauchte lange, bis er zurückkam, doch dann nickte er den Soldaten zu, und die gaben die Pforte frei. „Ich bringe euch zum Prinzen“, sagte er, „aber man hat mir befohlen, euch zu ermahnen. Falls ihr den Fall schlecht darstellt, zieht ihr euch das äußerste Mißfallen des Prinzen zu.“ Seine Worte hätten mich warnen müssen, doch ich war so erleichtert, daß wir dicht hinter ihm durch die Pforte gehen durften, daß ich nicht auf sie achtete.
    Es war nur ein kurzes Stück bis zu der Treppe, die an der Außenmauer des Thronsaales hoch und zu den geräumigen Gemächern des Prinzen führte. Erst wurden wir über Rasen geleitet, folgten der Palastmauer und bogen um eine
    Ecke. Am Fuß der Treppe standen wiederum zwei Soldaten, doch der Herold blieb nicht stehen, und so stiegen wir hinter ihm die Treppe hoch. Oben gab es einen Vorplatz und eine Flügeltür, an die der Herold klopfte. Es wurde geöffnet, mattes Licht sickerte heraus. Wir traten ein und befanden uns am Ende eines dunklen Ganges, der sich linker Hand erstreckte. Direkt vor mir waren weitere verschlossene Türen. Der Herold klopfte erneut an, und eine scharfe, herrische Stimme rief ihn hinein. Das Licht, das dieses Mal herausströmte, war heller, und blinzelnd traten wir drei in diese Helligkeit. „Der Edle Nesiamun“, kündigte ihn der Herold an. Damit verließ er uns und schloß die Tür hinter sich.
    Ehe ich mich mit den anderen mit ausgestreckten Armen verbeugte, erhaschte ich einen Blick in den Raum. Er war groß und elegant. Die Wände leuchteten tiefblau und zartgelb, die Farben von Ägyptens Wüste waren hervorragend getroffen, und mir fiel wieder ein, daß der Prinz schon immer die Schlichtheit unserer Horizonte geliebt hatte und oft allein zum Nachdenken, Entspannen oder Jagen in die Wüste gegangen war. Durch diese Vorliebe hatte er sich von seinen geselligeren Brüdern abgehoben. Viele bei Hofe hatten zu der Zeit, als sein Vater noch keinen Erben ernannt hatte, versucht, ihn auszuforschen, welcher politischen Gruppierung er den Vorzug gab, und engste Berater und Machtbesessene hatten gewetteifert, sich bei allen Königssöhnen einzuschmeicheln.
    Dieser Ramses hatte klug und bescheiden den Mund gehalten, hatte nur Liebe zu seinem Vater und zu seinem Vaterland gezeigt, während sich seine Brüder unverhohlen um den Horusthron zankten. Hui hatte mir vor Jahren erzählt, daß sich unter der scheinbaren Zurückhaltung und Leutseligkeit des Prinzen ein genauso hitziger Ehrgeiz wie bei seinen Brüdern verbarg, daß er jedoch schlauer und geduldiger aufsein Ziel hinarbeitete und Männer wie Frauen mit seinem Charakter für sich einnahm. Falls das stimmte, so hatte er am Ende Erfolg gehabt, denn jetzt war er Erbe und rechte Hand des Pharaos, regierte Ägypten für einen Vater, dessen Gesundheit stark angeschlagen war und der Ägypten bald in der Himmelsbarke verlassen würde. Was er auch immer an Träumen hinsichtlich Ägyptens Zukunft hegte, er behielt sie noch immer für sich. Doch es wurde gemunkelt, daß er vorsichtig Interesse für das bislang vernachlässigte Heer zeigte, dem mehr Aufmerksamkeit zuteil würde, sowie sein Vater gestorben war.
    Auch seine Möbel waren schlicht und kostspielig-elegant: die Stühle aus Zedernholz und mit Gold eingelegt, das Kohlebecken in der Ecke aus polierter Bronze, der dreiteilige Schrein enthielt die Bildnisse von Amun, Mut und Khonsu aus Gold mit Einlegearbeiten aus Fayence, Karneol und Lapislazuli. Überall standen Lampen, auf dem vollgestellten Schreibtisch, den wenigen Tischchen und in den Ecken. Neben dem Schreibtisch saß ein Schreiber mit gekreuzten Beinen und musterte uns ungerührt, als wir uns aus unserer Verneigung erhoben.
    Doch ich hatte keine Augen für ihn, ja, nicht einmal für den Prinzen, denn es war noch ein anderer Mann im Raum, der sich lässig auf einem der zierlichen Stühle räkelte. Er stand langsam auf, und die Bewegung war so anmutig und vertraut, daß mich der Schreck durchzuckte. Ich hörte, wie Men erstickt aufstöhnte. Mein

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