Die Herrin Thu
Herz fing an zu hämmern, während ich darauf wartete, daß der Prinz etwas sagte und uns aus unserem schrecklichen Schweigen erlöste.
Paiis betrachtete uns mit dem Anflug eines Lächelns auf den geschminkten Lippen.
„Sei gegrüßt, Nesiamun“, sagte der Prinz gütig. „Ich sollte zwar erst morgen das Vergnügen haben, dich zu sehen, aber der Herold hat irgendeinen Unsinn über einen Königssohn in Gefahr gebrabbelt und daß du mir die Tür einschlägst. Auf General Paiis’ Empfehlung hin habe ich bereits einen Haftbefehl für deinen Sohn ausgestellt, Men, darin beschuldigt man ihn der Entführung deiner Tochter, Nesiamun, und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Paiis’ Männer aus ihm herausgeholt haben, wo sich das Mädchen befindet, daher ist mir nicht klar, warum ihr hier seid, aber bringt eure Sache rasch vor. Ich bin hungrig.“
„Was die Entführung angeht, Prinz“, sagte Nesiamun jetzt, „so hat der General voreilig gehandelt. Meine Tochter weilt ohne meine Erlaubnis als Gast in Mens Haus, und ich bitte dich, den Haftbefehl sofort aufzuheben. Die ganze Sache war ein Mißverständnis.“
„Ach ja?“ kam der Prinz dazwischen. „Warum durchkämmt dann die ganze Polizei von Pi-Ramses die Stadt nach ihr?“
„Ich habe um Hilfe gebeten, als Takhuru nicht in meinem Haus zu finden war“, antwortete Nesiamun gelassen. „Da habe ich noch nicht gewußt, daß sie bei ihrem Verlobten ist. Sie ist ohne eine Nachricht fortgegangen. Ich bin sehr böse auf sie.“
„Das kann ich mir denken.“ Die fein gezeichneten königlichen Brauen hoben sich. „Dann hat sich dein Sohn, Men, also weiter nichts als übermäßige Liebesglut zuschulden kommen lassen?“ Er wandte sich an Paiis, der die mit Armbändern geschmückten Arme verschränkt hatte. „Auch der junge Mann galt vorübergehend als vermißt, nicht wahr? Er hat seinen Wachtposten auf deinem Anwesen nicht bezogen?“
„So ist es, Prinz“, sagte Paiis honigsüß. „Er hat sich als vollkommen unzuverlässig erwiesen. Schließlich konnte ich ihn bis zum Haus seines Vaters zurückverfolgen, wo er die Herrin Takhuru gefangenhielt. Men hat nicht gewußt, daß sie bei ihm war.“
„Du Mistkerl“, schrie Men. „Alles gelogen! Alles! Wo ist mein Sohn? Lebt er noch?“
„Warum in aller Götter Namen sollte er nicht mehr leben?“ fragte der Prinz gereizt. „Und du.“ Er zeigte auf mich. „Dich kenne ich nicht. Was hast du hier zu suchen?“ Auf einmal herrschte Stille. Paiis lächelte jetzt unverhohlen, doch seine Augen ruhten auf mir und blickten kalt.
Mein großer Augenblick war gekommen. Ich holte tief Luft und trennte mich endlich und endgültig von meiner Vergangenheit.
„Ich bitte um Nachsicht, Prinz“, sagte ich. „Ich bin Kaha und Schreiber bei Men, meinem Gebieter. Es ist wohl an mir, daß ich mit einer Geschichte beginne, die lang werden wird, doch ehe ich anfange, eine Frage. Hast du diese Namen schon einmal in einem bestimmten Zusammenhang gehört: der Seher Hui, die Generäle Paiis und Banemus, der königliche Oberhofmeister Paibekamun, die Herrin Hunro?“ Der Prinz zog ratlos die Brauen zusammen und wollte bereits den Kopf schütteln, als er innehielt. Seine Miene hatte sich verändert, war steinern geworden, doch seine mit Khol umrandeten Augen blickten wachsam.
„Ja“, blaffte er. „Sprich weiter.“
Und das tat ich. Mit Thus Manuskript in der Hand erzählte ich alles. Während meines Berichts kamen und gingen Diener, stutzten unauffällig die Dochte und stellten Wein und Honigkuchen vor uns hin. Niemand aß. Ramses lauschte aufmerksam, verriet nichts von seinen Gedanken, während meine Stimme den Raum erfüllte. Nesiamun und Men standen mit gesenktem Kopf, in ihre eigenen Gedanken versunken. Paiis hörte mit zusammengekniffenen Augen und schmalern Mund zu, und da wußte ich, wenn es mir nicht gelang, den Prinzen von der Wahrheit zu überzeugen, würde der General sofort und rücksichtslos Rache nehmen. Ich hatte Angst, aber ich bemühte mich weiter.
Jemand kam an die Tür, wurde eingelassen und begann zu reden, doch der Prinz hob die juwelengeschmückte Hand. „Später“, sagte er und wandte mir wieder seine Aufmerksamkeit zu. Als ich dann mit meinem Teil der Erzählung fertig war, wackelte der königliche Schreiber verstohlen mit den verkrampften Fingern, und auf allen Lampen war Öl nachgegossen worden.
Ramses musterte mich eingehend. Er verzog die hennaroten Lippen. Dann wandte er sich entschlossen an den
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