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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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nach dem Mordversuch zurückgekehrt. Das war eine Lüge. Er war die ganze Zeit zu Hause, und er hat Thu das Arsen gegeben, mit dem sie den Vollkommenen Gott in der Zeit vergiften sollte, in der er angeblich nicht daheim war.“ Ich stand auf.
    „Dein Wort allein dürfte nicht genügen“, sagte Ramses. „Dennoch werde ich die Sache nicht auf sich beruhen lassen.“ Er bückte sich und flüsterte mit seinem Schreiber. Der Mann stand auf, verbeugte sich und verließ den Raum. Der Prinz wandte sich an Men. „Und du“, sagte er. „Was hast du mit dem Ganzen zu tun?“
    „Das ist recht einfach, Prinz“, sagte Men. „Mein Sohn Kamen ist ein angenommenes Kind. Seine wahre Mutter ist ebendiese Thu, und sein Vater ist dein Vater. Er ist dein Halbbruder. Das Schicksal hat sie in Aswat zusammengeführt. Sie hat ihm ihre Geschichte erzählt, und seitdem hat der General versucht, beide umzubringen, denn er hat Angst, daß ein gemeinsames Zeugnis für ihre Ehrlichkeit spricht.“ Paiis lachte schallend, aber es klang gar nicht lustig, und der Prinz gebot ihm mit einer heftigen und herrischen Geste Schweigen.
    „Das ist also aus Thus Kind geworden“, sagte er. „Zuweilen habe ich mich danach gefragt, aber mein Vater hat die Sache für sich behalten. Ich wiederhole meine Frage von vorhin. Welche Beweise gibt es für diese üble Beschuldigung?“
    „Wenn Kamen hier wäre, was er auch wäre, wenn der General ihn nicht verhaftet hätte“, antwortete Men, „würde er dir das besser erzählen können als ich. Der General hat deinen Bruder in den Süden, nach Aswat, als Begleitschutz ausgerechnet des Mannes geschickt, der ihn ermorden sollte. Kamen argwöhnte, was der Mann im Schilde führte, doch sicher war er sich erst in dem Augenblick, als dieser Thu angriff. Da hat Kamen ihn getötet. Seine Leiche ist in Thus Hütte in Aswat vergraben. Wenn du Männer hinschickst, Prinz, werden sie alles so vorfinden, wie ich gesagt habe.“
    „Paiis“, sagte Ramses. „Hast du irgendwelche Einwendungen, wenn ich tue, worum der Kaufmann bittet?“
    „Prinz, du willst dich doch nicht auf diesen Aberwitz einlassen?“ erwiderte Paiis, und zum ersten Mal merkte ich, daß die Maske seiner Selbstsicherheit zu bröckeln begann. Auf seiner Oberlippe standen Schweißperlen, und er blickte ängstlich zur Tür. „Das ist doch alles nur ausgedacht.“
    „Das ist keine Antwort.“ Der Prinz deutete auf den Beutel, den ich mir jetzt über die Schulter geschlungen hatte. „Was hast du mitgebracht, Kaha?“ Eigentlich wollte ich ihn noch nicht herausrücken, nicht ehe ich wußte, ob Paiis nicht doch noch siegen würde, aber ich hatte keine andere Wahl. Widerstrebend stellte ich ihn zu Boden und öffnete ihn.
    „Thu hat die letzten siebzehn Jahre mit der Niederschrift ihres Sturzes zugebracht, angefangen mit der Zeit, als der Seher sie aus Aswat mitgenommen hat“, sagte ich. „Sie hat sie Kamen gegeben und ihn gebeten, sie dem Pharao zuzuspielen, so wie sie vor ihm schon viele Reisende gebeten hatte. Sie wußte nicht, daß sie mit ihrem Sohn sprach. Kamen hat sie mitgenommen, und als guter Offizier ist er damit zu seinem Vorgesetzten gegangen, nämlich zum General. Das Manuskript ist verschwunden. Aber Thu ist klug. Sie hatte eine Abschrift angefertigt.“ Ich hob sie hoch und reichte sie ihm. „Gib gut darauf acht, Prinz. Es ist ein fesselndes Dokument.“ Ramses nahm es und lächelte. Bei dem Anblick überlief es mich kalt, denn seine ganze göttliche Macht, sein ganzer Scharfblick offenbarten sich im langsamen Öffnen der geschminkten Lippen.
    „Ihr dürft euch setzen, allesamt“, sagte der Prinz. „Nehmt ein paar Erfrischungen zu euch, während wir warten. Es sieht so aus, als würde heute Abend nichts aus meinem Fest.“ Er schnipste mit den Fingern, und ein Diener eilte herzu. Ich wollte mich nicht setzen. Ich stand zu sehr unter Spannung. Doch gehorsam ließ ich mich auf einen Stuhl sinken, und meine beiden Begleiter taten es mir nach. Niemand wagte zu fragen, worauf wir warteten. „Du auch, Paiis“, sagte der Prinz schroff. „Da drüben.“ Er zeigte auf einen Stuhl neben seinem Schreibtisch, und ich atmete auf, als ich sah, daß er am weitesten entfernt von der Tür war. Paiis hatte es auch gemerkt. Er zögerte kurz, dann ließ er sich nieder und schlug die Beine über.
    Dem Prinzen schien das darauffolgende Schweigen nichts auszumachen. Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch, entrollte einen der zahlreichen Papyri und

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