Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
Vom Netzwerk:
meiner Hand und hielt sie fest, rang nach Luft. Hinter mir bewegte sich etwas, ein Diener eilte aus dem Dunkel herzu, doch er wies ihn mit der anderen Hand fort. „Morgen geht es mir wieder besser“, ächzte er schließlich. „Das hier ist noch kein Vorgeschmack des Todes, noch nicht. Etwas Zeit habe ich noch.“ Nachdem er sich wieder in der Gewalt hatte, ließ er meine Hand los und schob sich höher in die Kissen, doch als das getan war, ergriff er wieder meine Hand. „Ich stelle fest, daß du um Vergebung, nicht aber um Begnadigung gebeten hast“, flüsterte er. „Du hast dich verändert. Mein kleiner Skorpion hätte mir die Begnadigung abgeschmeichelt, aber diese Frau, die noch schön genug ist, um mich zu erregen, falls man mich noch erregen könnte, die bittet um nichts als ein Wort. Vielleicht hast du in deiner Verbannung ja doch viel gelernt, denn ich erkenne in deinem Gesicht keine Hinterlist, Thu.“ Seine Finger umklammerten die meinen. „Ich vergebe dir. Ich verstehe. Ich habe die Namen, die du meinem Sohn gegeben hast, nicht vergessen, und siehe da, das Rad dreht sich. Die Maat hebt den Kopf, und aus den Namen werden Verräter, die nun mein erhabenes Urteil erwarten.“ Ein winziges, gerissenes Lächeln huschte über sein entstelltes Gesicht. „Du hast meinen Sohn begehrt, nicht wahr, Thu? Du hast geglaubt, du kannst es vor mir verbergen, aber ich habe es gewußt.“
    „Ja, Gebieter.“
    „Hast du mit ihm geschlafen?“
    „Nein, Gebieter. So abgründig schlecht sind weder er noch ich gewesen.“
    „Gut. Was würdest du sagen, wenn ich ihm befehle, einen Heiratsvertrag mit dir zu unterschreiben?“
    Ich warf ihm einen scharfen Blick zu und merkte auf. Zwar war er krank, aber das hielt ihn gewißlich nicht davon ab, mich einer Prüfung zu unterziehen. Oder öffnete sich bereits knarrend die Tür zur Gerichtshalle, und der Wind aus der nächsten Welt fächelte ihm schon die Wangen, so daß er mir eine letzte Gunst erweisen wollte? Oder hatte er auf geheimnisvollen Wegen herausgefunden, daß ich den Prinzen einst gezwungen hatte, ein Dokument zu unterschreiben, das mich nach seines Vaters Tod zu einer seiner Königinnen gemacht hätte? Der Prinz hatte mich gebeten, meinen Einfluß beim Pharao geltend zu machen, damit er zum königlichen Erben ernannt wurde, denn damals hatte mein Stern hoch gestanden und hell geleuchtet, und der Pharao konnte mir nichts abschlagen. Nach meiner Verhaftung verschwand das Dokument, vom Prinzen geholt und zweifellos verbrannt, denn nichts sollte seine Pläne durchkreuzen, daher wollte er nicht mit einer Mörderin in Verbindung gebracht werden. Ramses beobachtete mich, und das Funkeln in seinen Augen erinnerte mich eindringlich und kummervoll an die ungeheure Lebenslust, die ihn zu all seinen Taten angefeuert hatte. Ich schüttelte den Kopf.
    „Nein, danke, Ramses“, sagte ich. „Ich begehre deinen Sohn nicht mehr. Und ich möchte auch nicht Königin in Ägypten werden.“
    „Du lügst, wenn du sagst, daß du nicht Königin werden möchtest“, krächzte er, „aber meinen Glückwunsch. Du hast zum zweiten Mal nicht auf meinen Köder angebissen. Ach, Thu, bis jetzt habe ich nicht gewußt, wie tief dein Stachel mich getroffen hat. Ich vergebe dir nicht nur, ich begnadige dich auch. Und Amunnacht soll eine Freilassungsurkunde aufsetzen, damit du den Harem als freie Frau verlassen kannst. Gibt es einen Mann, den du begehrst?“ Das hörte sich tieftraurig an, und da wurde auch ich traurig. Ich spürte, wie mir die Tränen still über die Wangen liefen. Ich war noch immer jung. Ich würde weiterleben und, wenn die Götter wollten, auch Erfüllung finden, doch er mußte sterben, mußte alles loslassen, was er lieben gelernt hatte. Das eigenartige, verknäuelte Band, das uns gebunden hatte, würde bald durchtrennt sein, und er würde in meiner Erinnerung zu einem verblassenden Schemen werden und immer mehr verblassen, je mehr auch ich mich meinem Ende näherte.
    „Ich habe mir ausgemalt, daß es anders sein würde“, sagte ich mit belegter Stimme. „Jahrelang habe ich davon geträumt, wie ich in dein Gemach komme und vor dir niederfalle und um Vergebung bitte, und wie du der Ramses bist, an den ich mich erinnere, und ich noch immer das aufsässige, vorlaute Kind. Oder noch besser, daß du eines Tages nach Aswat kommst, mich aus dem Dreck hebst, mich wieder in dein Bett nimmst und mir meinen Titel und meine hübschen Sachen zurückgibst. Aber es ist ganz anders

Weitere Kostenlose Bücher