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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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„Nein, Kamen“, sagte ich. „Ich bin nicht hier, um Paiis bei der Verhaftung zu helfen. Dazu braucht er mich nicht. Ich bin hier, weil ich euch warnen will, denn wie ihr wahrscheinlich ahnt, seid ihr Todgeweihte. Hier könnt ihr nicht bleiben. Der General hat bereits jedes in Frage kommende Versteck durchsucht, er weiß, daß ihr nur hier sein könnt. Vielleicht findet er euch heute nicht, doch früher oder später schickt er Männer, die heimlich nach euch suchen. Die Herrin Takhuru schwebt auch in Gefahr. Sie weiß zuviel.“
    „Daran habe ich nicht gedacht“, sagte Kamen besorgt. „Wie töricht von mir. Dann ist es also einerlei, wohin meine Mutter und ich uns wenden. Aber wenn Paiis uns hier nicht findet, wird er Takhuru gewißlich nicht verdächtigen?“
    „Doch“, schaltete sich das Mädchen ein. „Er muß folgern, daß du mir zumindest dein Herz ausgeschüttet hast, und er muß sicherstellen, daß ich mein Wissen an niemanden weitergeben kann.“ Das schien sie nicht im mindesten zu stören. Ich wußte nicht, ob sie aus reinem Übermut so gefaßt war oder ob sie ihre Lage nicht ganz begriff. Letzteres vermutlich. Takhuru hatte in ihrem ganzen verhätschelten Leben noch kein Leid erfahren, nie war ihrjemand in die Quere gekommen. Sie konnte sich, glaube ich, überhaupt keine richtige Gefahr vorstellen.
    „Die städtische Polizei jagt euch auch“, sagte ich. „Pa-Bast hat sie heute morgen gerufen, Kamen. Er ist außer sich, weil du verschwunden bist, vor allem da deine Familie morgen abend aus Fayum zurückerwartet wird.“ Ich konnte sehen, wie ihm rasche Vermutungen durch den Kopf schossen.
    „Vielleicht wäre es gar keine schlechte Idee, wenn wir uns von ihnen finden ließen“, sagte er langsam. „Falls wir der Polizei in die Hände fallen, wären wir wenigstens vor dem General sicher.“
    „Nicht unbedingt“, schaltete sich Thu ein. Ihre Stimme war jetzt fest, der Blick, mit dem sie mich bedachte, kühl. „Die städtischen Gefängnisse sind allen zugänglich, und die Polizei hat schon immer eng mit dem Heer zusammengearbeitet. Es wäre ein Kinderspiel für Paiis, dort einen Unfall herbeizuführen. Vermutlich ist inzwischen entdeckt worden, daß ich Aswat verlassen habe und daher verfolgt werden muß. Ich frage mich, ob man das Ramses mitteilt?“
    „Wohl kaum“, sagte ich. „Es sei denn, es gibt neues Beweismaterial, denn das würde zu einer Wiederaufnahme deines Falles zwingen. Anderenfalls würdest du wieder verhaftet, wahrscheinlich ausgepeitscht und nach Aswat zurückgeschickt werden, ohne daß der Pharao überhaupt davon erfährt.“ Thu ließ Kamens Hand los.
    „Du könntest meinen Fall neu aufrollen, Kaha“, sagte sie. „Du könntest die Beweise liefern, die du schon damals mir zuliebe hättest liefern sollen. Ich habe dem König alle Namen gegeben, und er hat gesagt, daß er sie nie vergessen würde, obwohl damals der einzige Beweis mein Wort war.“ Sie verzog das Gesicht. „Das Wort einer gescheiterten Mörderin. Wenn du wirklich etwas tun willst, dann hilf mir, daß ich beim Pharao vorgelassen werde und für mich sprechen kann.“
    Ich hatte immer geahnt, daß es sich so ähnlich abgespielt hatte. Deswegen hatte ich Hui verlassen, und es war richtig gewesen, auch wenn es uns in den dazwischenliegenden Jahren gut ergangen war.
    Takhuru war zum Tisch gegangen, hatte Wein eingeschenkt und bot jedem einen Becher an, dann hockte sie sich auf die Bettkante. Kamen setzte sich neben sie. Doch Thu stand noch immer vor mir, hatte den Wein in ihrem Becher nicht angerührt, und ihre Haltung war eine einzige Herausforderung. Am liebsten hätte ich meinen Becher in einem Zug geleert, denn die Anspannung hatte mich durstig gemacht. „Das reicht nicht. Dann stünde das Wort eines Schreibers gegen den guten Ruf der drei mächtigsten Männer Ägyptens und einer Dame von Adel aus einer altehrwürdigen und achtbaren Familie. Es gibt keinen stichhaltigen Beweis, Thu.“
    „Paibekamun hatte einen“, sagte sie bitter. „Er sollte ihn wegwerfen, hat ihn jedoch behalten und ihn dem Prinzen übergeben. Aber der Krug wurde zu Beweismaterial gegen, nicht für mich. Die Götter wissen, daß ich schuldig bin, doch mein Verbrechen war nicht so groß wie ihres. Ein junges Mädchen zu verderben war gewißlich böser.“ Sie hob die Schultern. „Aber es tut nicht gut, darüber nachzugrübeln. Du hast recht, Kaha. Vielleicht sollte ich selbst richten. Sie alle eigenhändig umbringen, einen nach dem

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