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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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verlieren werdet. Ihr werdet für alles, was Ihr für ihn getan habt, zur Herzogin ernannt werden!‹« Sie ahmte den greinenden, schmeichelnden Tonfall einer alten Frau nach. La Bosse. Wie verzweifelt mußte sie sein, daß sie sich an La Bosse gewandt hatte. Welche Taten, welche Komplotte waren schon mit La Voisin und den anderen ersonnen worden, um die Kanonisse zu vernichten und die Leidenschaft des Königs aufs neue zu erregen?
    »Keine Deutung«, befahl sie. »Nur was Ihr seht. Ich muß es wissen. Ich werde nicht scheitern. Wenn er nicht der Meine ist, wird er keiner gehören. Das schwöre ich. Wie viele Jahre habe ich diesem stinkenden Leib im Bette beigelegen? Er schuldet mir Dank, sage ich Euch. Er wird mich nicht einsperren, wenn er meiner überdrüssig ist. Ich kann ein ebenso unergründliches Spiel spielen wie er.« Sie zog einen silbernen Stuhl heran und setzte sich. Ich konnte ihren schweren Atem hören, und als ich meinen Blick vom Glase wandte, sah ich, daß ihre Hände zitterten.
    »Ich sehe Madame de Ludres das Gemach betreten. Sie ist in mitternachtsblauen Samt gekleidet und trägt ein schweres Diamantcollier mit passenden Armbändern –«
    »Mein Collier, der Teufel soll ihn holen. Ich bin es, der das Collier zusteht –«
    »Der Hof erhebt sich –«
    »Verflucht! Verflucht! Das teuflische, kleine Weibsstück. Welchen Zaubers hat sie sich bedient, um die allerhöchste Gunst zu erlangen? Ich werde dem ein Ende machen. Ich werde sie vernichten. Wie dumm hat ihre Tante sich angestellt, als sie sie zu vergiften suchte – eine Stümperin, eine Törin. Sie hat versagt und fürchtete sich, es noch einmal zu versuchen. Man sagte mir, der ganze Körper der illustren Kleinen war darauf mit Pusteln übersät – und ich erzählte es natürlich Seiner Majestät, um seiner Gesundheit willen. Pusteln, ganz große, nach allem, was man hört. Unappetitlich, widerwärtig.«
    »Offensichtlich nicht groß genug. Sie zeigen sich nicht in ihrem Décolleté.« Wie verzweifelt mußte Madame de Montespan sein, daß sie in ihrem Bemühen, das Augenmerk des Königs abzulenken, sogar dieses klägliche Gerücht aufgriff.
    Madame de Montespan beugte sich auf dem silbernen Stuhl vor und sprach mit ruhiger, drohender Stimme: »Sagt mir, ist sie diejenige? Seht noch einmal hin. Ist sie es, die mich um meinen gerechten Lohn bringt, den Rang der Herzogin?«
    Ich rührte das Wasser abermals. Als Madame de Montespan selbst in die Tiefe zu spähen suchte, spiegelte sich das Goldband auf ihrem Gewand schillernd in der Glaskugel. Hinter der geschlossenen Flügeltüre hörte ich das Rascheln von Kleidern und gedämpftes Schlurfen von Füßen. Aber Madame de Montespan nahm nichts wahr. Ihre aquamarinblauen Augen glitzerten in ihrem hageren, von den ersten Anzeichen der Schwangerschaft aufgedunsenen Gesicht.
    »Ihr lächelt. Was seht Ihr?« flüsterte sie.
    »Madame, ich sehe etwas, das Euch freuen wird. Madame de Ludres tritt in ein Kloster ein – in welches, kann ich nicht sagen. Sie kniet vor dem Altar, man schneidet ihr die Haare ab.« Madame de Montespan lachte laut heraus und preßte ihre Hand aufs Herz.
    »Dann ist der Triumph mein«, sagte sie glücklich.
    »Es sieht so aus, Madame.«
    »Ihr scheint selbst recht erfreut. Sagt mir, fandet Ihr die kleine Kanonisse beleidigend?«
    »Madame de Ludres ist nicht für ihre Freundlichkeit bekannt.«
    Madame de Montespan erhob sich und wirbelte herum, fast wie ein junges Mädchen. »Eure Botschaft hat mich wieder jung gemacht, Madame«, rief sie. Sie lief zu einem hohen Spiegel und betrachtete ihr Gesicht. »Ah! Ich sehe bereits jünger aus! Schaut nur! Die Falten verschwinden!« Sie trat zurück und drehte sich vor dem Spiegel, verrenkte seitlich die Hüften, um die größte Illusion von Schlankheit zu erzielen. Immer noch sahen alle Spiegel für mich blutig aus, nur mied ich sie deswegen nicht mehr. In einer Stadt wie Paris, wo man in jedem Monat tausend erschütternde Dinge sieht, sind selbst bluttriefende Spiegel bald nichts Besonderes mehr. Meine Abneigung gegen Spiegel hatte sich herumgesprochen, und nun ging das Gerücht, ich hätte kein Spiegelbild, was erheblich zu meinem mysteriösen Flair beitrug. Und da dieses Gerücht dem Geschäft sehr zuträglich war, weitete ich es bei jeder Gelegenheit aus.
    »Oh! Wenn ich nur nicht so unförmig würde!« Madame de Montespan strich ihr Gewand glatt, um ihre Taille schmaler erscheinen zu lassen. »Er sagte, ich werde zu dick. ›Dicke

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