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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Madame! Kann ich Euch Eure gütige Vermittlung auf irgendeine Weise entgelten?«
    »Kaum. Ich vermute, meine geldgierige kleine Sylvie hat Euch schon genug geschröpft. Ich selbst handle im Namen der Gerechtigkeit.« Er verbeugte sich abermals tief und stapfte durch den Frühlingsschlamm von dannen, indes Sylvie die Träger meiner Sänfte herbeirief, die nur wenige Schritte entfernt gewürfelt hatten.
    Den Nachmittag verbrachte ich in träumerischer Benommenheit: André Lamotte und ich saßen Wein trinkend bei einem intimen kleinen Souper.
    »Das war bewundernswert, wie Ihr d'Urbec gerettet habt. Schade, daß ich nicht selbst darauf gekommen bin. Ich verehre kluge Frauen. Und Verstand ist so selten mit Schönheit gepaart. Geneviève, trinken wir auf unsere Zukunft.« Und als wir die Gläser hoben, schüttelte ich den Traum ab. Genug dieser Torheit, Geneviève Pasquier. Mit Mädchen, die tagträumen, nimmt es ein schlimmes Ende, sagte Großmutter immer. Aber hatte sie nicht zu ihrer Zeit über »L'Astrée« geweint?

    22. Februar 1675. Welcher Wahnsinn macht mich Lamotte begehren, der mich nicht will? Es genügt, einen Menschen an Dämonen glauben zu machen, welche sich der Seele bemächtigen können. Ist es, weil er schön ist, oder weil er Marie-Angélique gehörte und sein Besitz mich so schön machen würde wie sie? Sein Geist ist es gewiß nicht. Er hat halb soviel Verstand wie d'Urbec. Aber d'Urbec würde niemals einem Mädchen unter ihrem Balkon ein Ständchen bringen. Er würde ihr eine Abhandlung über fiskalische Korruption widmen und sie ihr wieder fortnehmen, wenn sie sie nicht läse. Nein, ich will Rosen. Rosen und ein Gedicht, das meine Augen preist.

    Als Sylvie an diesem Abend in unserem kleinen gemieteten Zimmer unter dem Dachfirst einer schäbigen Herberge meine Kleider ausbürstete, sah ich von meinen Eintragungen in mein »Rechnungsbuch«, wie sie es nannte, auf. »Sylvie, ich möchte, daß du diesen Brief morgen nach Paris in die Jesuitenkirche auf der Rue Saint-Antoine bringst.«
    »Was enthält er?« fragte sie keck.
    »Für dich einen Silberlouis. Aber wenn du willst, kannst du ihn lesen. Ich habe ihn noch nicht versiegelt.« Sylvie nahm den Brief und buchstabierte langsam, bei jedem Wort die Lippen bewegend.
    »Uuh. Das ist übel. Eine Denunziation an die Polizei. Wer ist dieser Cato, der Euch die Ehe versprach und sich mit Euren silbernen Löffeln davongemacht hat? Und Ihr seid den weiten Weg nach Paris gereist, ihn zu suchen, und er hatte sich mit einer anderen Frau eingelassen? Der scheint mir ein rechter Schurke – ›groß, rötliche Haare mit einem braunen Bart, Narbe auf einer Wange, verdient seinen Unterhalt mit libelles unter falschem Namen und läßt sich von Wilhelm von Oranien bezahlen.‹ Übel, übel!«
    »Wer immer er ist, er ist das genaue Gegenteil von Monsieur d'Urbec, welcher dunkel ist und von mittelgroßer Statur.«
    »Oho, Ihr seid gerissen. Eine Verwechslung, wie? Das verzögert die Sache ein wenig. Und wenn sie ihn nicht gefoltert haben, um herauszufinden, wer der Drucker war, lassen sie ihn vielleicht sogar laufen. Das heißt, wenn es ihren Stolz nicht zu sehr verletzt.« Sie sah mich listig an. »Aber ich wußte gar nicht, daß Ihr diesen d'Urbec kennt. Seid Ihr in ihn verliebt?«
    »Ich kenne ihn keineswegs«, beeilte ich mich zu erwidern.
    »Woher wißt Ihr dann, wie er aussieht?«
    »Ich nehme einfach an, daß er seinem Vater gleicht.«
    »Dann wehe ihm, wenn er rothaarig ist«, entgegnete sie, ehe sie die Kerze ausblies. Aber ihre Stimme hatte einen zynischen Klang.

KAPITEL 13
    K urz vor Ostern verließ ich den Hof und kehrte nach Paris zurück, denn während in Versailles die Wahrsagerei in der Karwoche ruhte, lief das Geschäft in der Stadt so gut wie eh und je. Am Abend, als wir packten, erhaschte Sylvie einen Blick auf den Haufen Louisdors in meiner Schatulle, und sie hielt den Atem an.
    »Meine Güte«, sagte sie leise mit ihrer spitzen Stimme. »Das ist ein Vermögen. Damit könnte ich mich zur Ruhe setzen.«
    »Es ist für La Voisin«, entgegnete ich und verschloß die Schatulle.
    »Und nicht ein bißchen für uns, für ein paar schöne neue Kleider oder eine Fahrt nach Vichy, um eine Kur zu machen und stattliche junge Männer kennenzulernen? Ich habe nachgerechnet. Ich habe beobachtet. Allein anhand meiner Kenntnis, wer alles für sie arbeitet, habe ich errechnet, daß sie im Jahr um die hunderttausend Écus einnimmt – reiner Gewinn.« Sylvie kniff die

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