Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
Helikopter weg?«
    Vorsichtig beugte Lucian sich aus der Höhle und spähte in den Himmel. »Ich glaube schon«, meinte er. Plötzlich schrak er zurück. Still!, bedeutete er den Schwestern. Gebt keinen Laut von Euch!
    Ravenna lauschte angespannt. Dann hörte sie es: das Klirren von Sattelzeug und Waffen, die Schritte von Pferdehufen auf weichem Waldboden. Sie kroch zum Eingang der Höhle und legte sich flach auf den Bauch. Lucian kauerte sich neben ihr nieder, damit auch er nicht gesehen wurde.
    »Da«, hauchte er und deutete in den Wald. »Dort reitet der Hexenbanner. Seht Ihr?«
    Zwischen den Baumstämmen erhaschte Ravenna den Blick auf eine Standarte, die einen schwarzen Wolf zeigte. Der Hexenbanner ritt ein knochiges, graues Pferd. Reiter, die mit Lanzen, Schilden und Schwertern bewaffnet waren, begleiteten ihn. Er war in einen langen Mantel gehüllt, ihrem Umhang nicht unähnlich. Seine Kapuze war mit Pelz verbrämt und in der Hand trug er einen Stab, an dessen Spitze ein fünfzackiger Stern aus Eisen prangte. Die Spitze zeigte nach unten.
    Beim Anblick des Mannes entfuhr Yvonne ein erstickter Schrei. Weiß wie ein Laken presste sie sich in den hintersten Winkel des Druidengrabs und verschloss den Mund mit beiden Händen.
    Der Hexenbanner zügelte sein Pferd und ließ einen stechenden Blick über das Gelände gleiten. Ravenna ließ den Kopf zwischen die Arme sinken und hoffte, dass er nur junge Fichten und Buchen, Findlinge, Heidekraut und im Hintergrund den schwarzen Eingang des Druidengrabs sah. Sie wünschte, dass er nur Schwärze sah, die ihm keinen Hinweis auf die drei Gefährten lieferte, die sich im Schatten unter dem Felsen versteckten.
    Als sie Lucians unterdrückten Fluch hörte, hob sie den Kopf. Der Hexenbanner schwang sich vom Pferd und schritt über den Waldboden. Lucian schmiegte den Rücken flach an den Felsen. Mit der Faust presste er das Schwert gegen den Oberkörper, so dass eine einzige schnelle Bewegung zum Zustoßen reichte, doch sein bleiches Gesicht verriet, was er dachte: Nicht einmal ein Schwertkämpfer mit einem Talent von göttlicher Gnade würde ein Zusammentreffen mit dieser Überzahl von Feinden überleben.
    Doch der graubärtige Reiter und seine Begleiter kümmerten sich nicht um die Druidenhöhle. Sie scharten sich um einen Beckenstein, der in der Mauer eingelassen war. Der Hexenbanner holte einen Gegenstand aus seiner Satteltasche, der in weiches Leder geschlagen war. Als er ihn auswickelte, sah Ravenna, dass es sich um ein eisernes Pentagramm handelte. Der Hexenbanner legte es in die Schale, die sich in der Mitte des magischen Steins befand, hielt seinen Stab über die Vertiefung und murmelte ein Wort.
    Schwarzer Rauch wallte auf. Der Stein verfärbte sich und in seiner Umgebung verdorrten alle Gräser und Farne. Die dürren Grasreste nahmen die Farbe von Asche an.
    »Das sollte genügen«, hörte Ravenna die Stimme des Hexenbanners. Sie klang milde und müde wie an jenem Morgen, als Melisende gestorben war. »Lasst uns zum nächsten Stein reiten.«
    Er griff wieder nach den Zügeln des Grauen, doch bevor er aufsaß, warf er einen weiteren Blick auf die Höhle. Schwärze … Ravenna ließ in ihren Gedanken nichts als Schwärze entstehen. Sie dachte an einen Schatten, den sie wie ein Tarnnetz vor die Höhle zog.
    Lucian keuchte, als das Licht im Druidengrab schwächer wurde. Ravenna lag so dicht neben ihm, dass sie seinen Herzschlag spürte, und sie streckte die Hand aus, um ihn zu beruhigen.
    Der Hexenbanner runzelte die Stirn. Dann zuckte er die Achseln, saß auf und trieb das Pferd an. »Vorwärts«, befahl er seinen Begleitern. »Wir haben noch viel zu tun, ehe die Streitmacht aus Straßburg anrückt. Und wir wollen doch nicht riskieren, dass sich unsere Freunde in den magischen Netzen der Hexen verfangen.«
    Seine Stimme verklang, als die Gruppe weiterritt. Aus dem Beckenstein stieg noch immer Rauch empor. Dort, wo er die unteren Äste der Bäume streifte, verfärbte sich das Laub und fiel ab. Aschegrau, nebelgrau, grau wie brodelnder Schlamm in einem Höllenpfuhl.
    »Was ist das? Wie hat er das gemacht?«, hauchte Ravenna. Sie hatte Lucians Hand nicht losgelassen, ihre Finger verkrampften sich ineinander.
    »Keine Ahnung«, flüsterte ihr Ritter. »Ihr seid die Hexe von uns beiden und müsst wissen, wie so etwas geht. Das Beste wird sein, wir sehen es uns an – aber erst, wenn sie weg sind.«
    Sobald sie keinen Hufschlag mehr hörten, wagten sie es, auf Händen und Knien

Weitere Kostenlose Bücher