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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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auch wenn man sich dieser Magie entzog und nur die Uhren betrachtete, die sozusagen aus Fleisch und Bein waren, gab es Grund zum Staunen.
    Es mag unglaublich klingen – für den Leser, der diese Dinge aus dem Abstand liest –, aber ein Schiffbrüchiger, benebelt von Branntwein und auf einem verlassenen Schiff, der hundert Uhren findet, die ihm fast unisono die Geschichte seiner endlosen Zeit erzählen, denkt zuerst an die Geschichte und nicht an ihren Autor. Und so tat es Roberto: Er untersuchte eins nach dem anderen jene Geräte zum Zeitvertreib, jene Spielzeuge für die senile Jugend eines zu einem überaus langsamen Tode Verurteilten.
    Der Donner vom Himmel kam später – il tuon dal ciel fu dopo , wie Roberto schrieb –, nämlich als er aus jenem Alptraum erwachte und sich der Notwendigkeit gegenübersah, einen Grund zu finden. Wenn die Uhren alle gingen, musste sie jemand in Gang gesetzt haben. Und selbst wenn sie so konstruiert waren, dass sie lange Zeit liefen: Wenn sie vor seiner Ankunft aufgezogen worden wären, müsste er sie schon früher gehört haben, als er an dieser Tür vorbeikam.
    Wenn es sich nur um einen einzelnen Mechanismus gehandelt hätte, wäre noch denkbar gewesen, dass er so hergerichtet worden war, dass ein winziger Anstoß genügte, um ihn in Gang zu setzen; diesen Anstoß hätte eine Bewegung des Schiffes geben können oder auch ein Seevogel, der durch das Sabord hereingekommen wäre und sich auf einen Hebel oder eine Kurbel gesetzt hätte, derart eine Reihe mechanischer Wirkungen auslösend. Kann nicht ein starker Wind die Glocken zum Klingen bringen, kommt es nicht vor, dass Verschlüsse aufschnappen, die nicht richtig zugemacht worden sind?
    Aber ein Vogel kann nicht auf einen Schlag Dutzende von Uhren in Gang setzen. Nein. Ob Ferrante existierte oder nicht, war eine Sache, aber dass auf dem Schiff ein Eindringling war, stand nun fest.
    Der Betreffende war in jenen Abstellraum eingedrungen und hatte die Uhren in Gang gesetzt. Aus welchem Grund er das getan hatte, war die erste Frage, aber nicht die dringlichste. Die zweite war, wo er stecken mochte.
    Es galt also, in den Kielraum hinunterzusteigen. Roberto sagte sich, dass er jetzt nicht mehr darum herumkommen würde, aber indem er sich seinen festen Entschluss wiederholte, verzögerte er dessen Ausführung. Er begriff, dass er nicht gut beieinander war, stieg an Deck, um sich den Kopf mit Regenwasser zu kühlen, und dachte klareren Sinnes über die Identität des Eindringlings nach.
    Ein Wilder von der Insel konnte es nicht sein, auch kein überlebender Matrose, der alles getan hätte (ihn am helllichten Tage angreifen, ihn nachts im Schlaf ermorden, ihn um Gnade anflehen), nur nicht Hühner füttern und Automaten aufziehen. Also versteckte sich auf der Daphne ein friedlicher und gebildeter Mensch, vielleicht der Bewohner des Raumes mit den Karten. Aber dann – wenn er da war und wenn man bedachte, dass er vor ihm da gewesen war – war er ein legitimer Eindringling. Die schöne Antithese konnte jedoch Robertos zornige Angst nicht besänftigen.
    Wenn der Eindringling ein legitimer war, warum versteckte er sich dann? Aus Angst vor dem illegitimen Roberto? Und wenn er sich vor ihm versteckte, warum bekundete er ihm dann seine Anwesenheit durch dieses Uhrenkonzert? War es vielleicht ein Perverser, der ihn verrückt machen wollte, da er sich vor ihm fürchtete und nicht fähig war, ihn direkt anzugreifen? Aber wozu tat er das, wenn er doch, gleichfalls schiffbrüchig auf dieser künstlichen Insel, nur Vorteile aus dem Bündnis mit einem Unglücksgefährten ziehen konnte? Vielleicht, überlegte Roberto, verbarg die Daphne noch andere Geheimnisse, die jener mit niemandem teilen wollte.
    Gold also, Diamanten und all die anderen Reichtümer der Terra incognita, oder auch der Salomon-Inseln, von denen ihm Colbert erzählt hatte ...
    Und beim Gedanken an die Salomon-Inseln hatte Roberto so etwas wie eine Offenbarung. Natürlich! Die Uhren! Wozu dienten so viele Uhren auf einem Schiff, das Meere befuhr, auf denen der Morgen und der Abend durch den Lauf der Sonne bestimmt wurden und man sonst nichts zu wissen brauchte? Der Eindringling war bis in diese entlegenen Breiten vorgedrungen, weil er gleichfalls, wie Doktor Byrd, den Fixpunkt suchte, el Punto Fijo !
    Sicherlich war es so. Durch eine außerordentliche Verkettung von Umständen befand sich Roberto, aufgebrochen aus Holland, um als Spion des Kardinals die geheimen Manöver eines

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