Die historischen Romane
Lukianos und Apuleius viele Irrtümer begangen«, sagte daraufhin William. »Aber diese Fabeln enthalten unter dem Schleier ihrer dichterischen Fiktionen auch eine gute Moral, denn sie lehren, wie teuer der Mensch für seine Sünden bezahlen muss, und außerdem glaube ich, dass die Fabel von dem in einen Esel verwandelten Manne auf die Metamorphose der sündig gewordenen Seele anspielt.«
»Mag sein«, knurrte Jorge.
»Und nun wird mir auch klar, warum Venantius neulich in jenem Streitgespräch, auf das er Euch gestern ansprach, so an den Problemen der Komödie interessiert war. Tatsächlich lassen sich nämlich diese Fabeln mit den Komödien der Alten vergleichen: Beide erzählen sie nicht von Menschen, die in der Wirklichkeit existiert haben, wie es die Tragödien tun, sondern sind Fiktionen. Wie Isidor sagte: ›fabulas poetae a fando nominaverunt, quia non sunt res factae sed tantum loquendo fictae‹...«
Im ersten Moment verstand ich nicht, wieso William plötzlich solch einen gelehrten Disput vom Zaun brach, noch dazu mit einem Manne, der diese Themen nicht gerade liebte. Aber die Antwort Jorges zeigte mir einmal mehr, wie subtil und geschickt mein kluger Meister vorging.
»An jenem Tage wurde nicht über Komödien diskutiert, sondern allein über das Erlaubtsein des Lachens«, erwiderte nämlich der Alte schroff – und sofort musste ich daran denken, dass er am Vortag, als Venantius ihn auf jene Diskussion angesprochen hatte, sich angeblich nicht mehr daran erinnern konnte.
»Ach so«, sagte William ohne besondere Betonung, »ich dachte, Ihr hättet über die Lügen der Dichter und über die geistreichen Rätsel gesprochen.«
»Wir sprachen über das Lachen«, erklärte der Blinde bündig. »Die Komödien wurden von geschrieben, um die Leute zum Lachen zu bringen, und das war schlecht. Unser Herr Jesus hat weder Komödien noch Fabeln erzählt, ausschließlich klare Gleichnisse, die uns allegorisch lehren, wie wir ins Paradies gelangen, und so soll es bleiben!«
»Ich frage mich«, sagte William, »warum Ihr so abweisend gegen den Gedanken seid, dass Jesus gelacht haben könnte. Ich für meinen Teil halte das Lachen durchaus für ein gutes Heilmittel, ähnlich dem Baden, um die schlechten Körpersäfte und andere Leiden des Körpers zu kurieren, insbesondere die Melancholie.«
»Das Baden ist eine gute Sache«, pflichtete Jorge ihm bei, »und selbst der Aquinate empfiehlt es als Mittel gegen die Trübsal, die eine schlimme Leidenschaft sein kann, wenn sie nicht aus einem Leiden kommt, das sich durch Tapferkeit überwinden lässt. Das Baden bringt die Körpersäfte ins Gleichgewicht. Das Lachen dagegen schüttelt den Körper, entstellt die Gesichtszüge und macht die Menschen den Affen gleich.«
»Die Affen lachen nicht, das Lachen ist dem Menschen eigentümlich, es ist ein Zeichen seiner Vernunft«, entgegnete William.
»Auch die Sprache ist ein Zeichen der menschlichen Vernunft, und mit der Sprache kann man Gott lästern! Nicht alles, was dem Menschen eigentümlich ist, ist deswegen auch schon gut. Das Lachen ist ein Zeichen der Dummheit. Wer lacht, glaubt nicht an das, worüber er lacht, aber er hasst es auch nicht. Wer also über das Böse lacht, zeigt damit, dass er nicht bereit ist, das Böse zu bekämpfen, und wer über das Gute lacht, zeigt damit, dass er die Kraft verkennt, dank welcher das Gute sich wie von selbst verbreitet. Darum heißt es in der Regel des heiligen Benedikt: › Decimus humilitatis gr adus est si non sit facilis ac promptus in risu, quia scriptum est: stultus in risu exaltat vocem suam.‹«
»Quintilian sagte«, unterbrach mein Meister, »im Panegyrikus müsse das Lachen zwar unterdrückt werden, um der
Würde willen, aber in vielen anderen Fällen solle man es ermuntern. Plinius der Jüngere schrieb: › Aliquando praeterea rideo, iocor, ludo, homo sum.‹«
»Sie waren Heiden«, versetzte Jorge. »Die Regel des heiligen Benedikt sagt: › Scurrilitates vero ve l verba otiosa et risum moventia aeterna clausura in omnibus locis damnamus, et ad talia eloquia discipulum aperire os non permittimus.‹«
»Aber zu einer Zeit, als das Wort Christi bereits auf Erden siegreich war, sagte Synesios von Kyrene, die Gottheit habe das Komische und das Tragische harmonisch zu verbinden gewusst, und Aelius Spartianus berichtet von Kaiser Hadrian, einem hochgebildeten Manne von naturaliter christlichem Geist, er habe Momente von Fröhlichkeit mit Momenten von Ernst zu mischen
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