Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
waren grober geworden, die Gelenke wieder dicker.
    »Ja, das kommt auch noch dazu.« Seine Stimme klang matt. »Wahrscheinlich bin ich bald ein einsamer Bettler, der nicht einmal mehr seine Schale halten kann.«
    »So sehr tust du dir Leid?«
    Er hörte den Spott in ihrer Stimme, noch bevor er ihn in ihrem Blick sah. Plötzlich musste er lachen.
    »Du hast Recht«, sagte er. »Jammern hilft nicht weiter. Und deshalb bin ich auch nicht hier.«
    »Weshalb dann?«
    Veit stand auf, zog sie an sich. Avas Wange rieb an seiner steifen Wolljacke, sie öffnete die Lippen und sog seinen Geruch ein, spürte, wie er ihr über die Zunge rollte und sie innerlich ganz weich werden ließ. Ich sehne mich, dachte sie. Ich wusste nicht, dass ich mich so sehr sehne.
    Sie überließ sich dem vertrauten Spiel seiner Hände, die plötzlich gar nicht steif waren, gar nicht grob. Selbst mit ihren Haken und Knöpfen kamen sie bestens zurecht, fanden ihren Weg, bis sie endlich warme Haut berührten.
    Sie zitterte. Sie begehrte ihn plötzlich so sehr, dass sie es kaum noch aushalten konnte.
    »Ja«, murmelte er, seine Lippen an ihrem Ohr. »Ja, so ist es gut. So, meine Schöne, hätte es längst schon sein sollen.«
    Einmal nur noch protestierte Ava, als er sie gegen den Tisch drängte und versuchte, ihre Röcke hochzuschieben.
    »Dafür bin ich wirklich nicht mehr beweglich genug. Komm nach nebenan. In der Kammer ist es viel bequemer.«
    Veit lachte, packte die Kerze und wollte zur vertrauten Türe.
    »Da schlafen jetzt die Kinder«, flüsterte Ava. »Wir beide schlafen hier.«

    Als man ihr die Morgensuppe brachte, war Agnes Pacher bereits wach. Sie hockte auf der Pritsche, die Lider geschlossen, den Mund zu einer scharfen Linie verzerrt. Einen Augenblick zögerte sie noch, doch das Blut, das ungehindert zwischen ihren Schenkeln floss, gab den Ausschlag.
    »Benachrichtige die geschätzten Herren Malefizkommissäre.« Die blassblauen Augen gingen weit auf. »Ich hab eine wichtige Aussage zu machen. Es handelt sich um Veit Sternen. Ihm allein hab ich mein Unglück zu verdanken.«

    Veit war längst fort, als Ava erwachte, doch sein Geruch war noch immer da. Sie dehnte und streckte sich, spürte den Druck des Leinens auf ihren Brüsten, die Sanftheit in ihrem Schoß.
    Sie schloss die Augen und ließ die Bilder, die Berührungen der Nacht für einen Augenblick zurückkehren.
    Dann stand sie auf, hüllte sich in eine Decke und öffnete die Tür. Es hatte geschneit, alles war weiß und still. Kalte Luft strömte herein, frisch und klar. Sie konnte den Fluss riechen, die Büsche, den Wald. Den Winter.
    Ava machte einen Schritt nach vorn und erschrak, als ihr nackter Fuß an etwas Weiches stieß.
    Sie bückte sich, hob es auf. Ein Bündel Rebhühner, sechs an der Zahl. Eines für jedes Kind, das bei ihr lebte, eines für sie. Eines für Reka.
    Perfekt zusammengeschnürt, wie nur Mathis es konnte.

ZEHN
    W ie konnte Selina Sternen überhaupt in den Besitz des Schlüssels gelangen?«
    Unter seinen Achseln wurde es feucht, aber es war kein ehrlicher Schweiß, wie er floss, wenn er zusammen mit seinen Gesellen Gerstensäcke hievte oder Fässer ablud. Er war kalt und klebrig. Sie bedrängten ihn, setzten ihm heftiger zu, als er angenommen hatte, und Pankraz Haller merkte, wie sein Körper sich immer mehr verspannte. Unter dem Raum mit der dunklen Kassettendecke, in dem er nun schon seit Stunden vernommen wurde, lagen die Keller. Ab und zu fiel sein Blick auf die Stockflecken an der gegenüberliegenden Wand. Dann versuchte er, die Gedanken an Nässe, Angst und Elend so schnell wie möglich wegzuschieben, doch es wollte ihm nicht recht gelingen. Dort unten saß die Pacherin ein, wie inzwischen jeder in Bamberg wusste.
    »Das hab ich doch bereits ausgesagt. Mehr als ein Dutzend Mal, wenn ich mich recht erinnere.«
    Schramms Feder kratzte über das Papier. Jede Frage, jede Antwort wurde von ihm protokolliert.
    »Die Malefizkommission kann bestimmen, wie oft Ihr es zu wiederholen habt. Also?«
    »Für gewöhnlich lege ich meine Schlüssel auf eine Ablage im Flur, wenn ich meine Tochter besuche, zusammen mit dem Rock. Selina muss ihn dort gesehen haben, hat ihn vermutlich abgemacht und an sich genommen. Ich hatte ihr die Felsenkeller einige Zeit zuvor gezeigt. Bei dieser Gelegenheit ist sie wohl auf diese Idee verfallen.«
    »Weshalb?«, fragte Vasoldt. »Was hattet Ihr mit dem Mädchen dort unten zu suchen?«
    »Selina ist meine Enkelin. Und Bierbrauen meine

Weitere Kostenlose Bücher