Die Insel - Roman
ihre nackten Körper doch ziemlich geil.
Obwohl die Frauen keine Münder hatten, mit denen sie hätten sprechen können, sagten sie mir, dass ich sie retten könnte, und als ich sie fragte, wie ich das bewerkstelligen sollte, meinte eine von ihnen: »Du musst uns die richtigen Köpfe verpassen.«
Auf einmal erkannte ich, dass sie alle etwas hinter ihrem Rücken verborgen gehalten hatten. Jetzt hielten sie es nach vorne, und ich sah, dass jede von ihnen einen Kopf in Händen hielt.
Ich erkannte die Köpfe von Connie, Billie, und Kimberly, aber auch die von Thelma und Wesley waren dabei. Außerdem der von Miss Curtis, meiner Lehrerin in der fünften Klasse, in die ich fürchterlich verschossen war, und der von Ardeth Swan, einer Freundin aus der Highschool, bei der ich über die allerersten Annäherungsversuche nie hinausgekommen bin. Der letzte Kopf war der einer völlig Fremden (das glaubte ich zumindest), die eigentlich hübsch gewesen wäre, wären ihr Gesicht und ihre Ohren nicht von lauter Ringen, Bolzen und Nadeln verunstaltet gewesen.
Der letzte Kopf gehörte meiner Mutter. Gott allein weiß, wie er da hingekommen war, aber er brachte eine ganz eigene, gruselige Komponente in meinen Albtraum.
Auf Anhieb war mir klar, dass keine der Frauen ihren eigenen Kopf in Händen hielt.
Wesleys Kopf erklärte mir die Spielregeln: »Wenn du uns retten willst, musst du bis Sonnenuntergang unsere Köpfe auf die richtigen Körper setzen. Meinst du, du schaffst das, du Würstchen?«
»Dich will ich sowieso nicht retten«, sagte ich.
Außerdem war unter den neun enthaupteten Gestalten, die da vor mir am Strand standen, überhaupt kein Männerkörper.
Ich nahm also Wesleys Schädel aus den Händen einer fetten, untersetzten Frau und warf ihn achtlos beiseite. Dann ging ich zu Thelmas Kopf, den ein schlankes Mädchen, das vermutlich Connie war, in Händen hielt und setzte ihn auf den Halsstummel des Körpers, der vorher Wesleys Kopf gehalten hatte.
Thelma, die ich offenbar richtig zusammengesetzt hatte, schenkte mir ein strahlendes Lächeln und fing an, mit ihren Wurstfingern nach meinem Gesicht zu grabschen.
Ich werde hier jetzt nicht den ganzen, schrecklichen Albtraum erzählen. An manches davon möchte ich nicht einmal denken , geschweige denn darüber schreiben. Also lasse ich die wirklich üblen Sachen aus und berichte nur von denen, die etwas weniger schlimm sind.
Während des ganzen Traumes, ganz gleich, ob ich nun geil oder verwirrt oder angeekelt war, hatte ich ein permanentes Gefühl von Bedrohung. Obwohl mir niemand gesagt hatte, was passieren würde, wenn ich bis Sonnenuntergang die Köpfe nicht den richtigen Körpern zugeordnet hatte - außer natürlich, dass ich dann die Frauen nicht »retten« würde -, plagte mich die Vorahnung, dass mir im Falle meines Versagens ein übles Schicksal bevorstand.
Der Sonnenuntergang kam rasend schnell.
Und so rannte ich hin und her, riss den Frauen die Köpfe aus den Händen und pflanzte sie in fieberhafter Eile auf den einen oder anderen Halsstummel.
Das war nicht so einfach, wie es sich vielleicht anhört.
Wesley und Thelma hatte ich sofort erledigt, aber sieben weitere Köpfe warteten noch darauf, richtig zugeordnet zu werden. Kimberly und Connie waren dabei kein Problem, denn die hatte ich lange genug angeglotzt, um ihre Körper zu erkennen (nur dass mir Connies Kopf aus der Hand fiel und ein Stück weit über den Sand rollte, war nicht so gut). Blieben noch fünf Köpfe.
Als nächsten probierte ich den von Billie, denn schließlich war auch sie die ganze Zeit im Bikini vor mir herumgesprungen, und in der Nacht, in der sie sich auf Thelma hatte stürzen wollen und dabei nur im Sand gelandet war, hatte ich ihre Brüste für einen kurzen Augenblick ganz nackt gesehen. (Selbst im Traum erinnerte ich mich noch lebhaft daran, wie sie ausgesehen hatten, als sie aus dem heruntergerutschten Bikinioberteil herausgehüpft waren.)
Ich nahm also Billies Kopf aus den Händen eines Körpers, den ich nicht erkannte, und rannte hinüber zu der Frau mit der üppigen Figur, die ich für Billie hielt.
Als ich den Kopf auf den Hals setzte, sagte Billies Mund: »Aber, aber, Rupert. Erkennst du denn deine eigene Mutter nicht wieder?«
Igitt!
Dann entdeckte ich in der Reihe einen ähnlichen Körper. Wow, schönen Gruß vom alten Freud und seinem bekloppten Freund Ödipus.
Zum Teufel mit Freud. Ich hatte keine Zeit, mich um das zu kümmern, was da in meinem Unterbewusstsein
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