Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
tun können.« Seine Stimme klang bestimmt, und es war ziemlich klar, dass er das Thema damit für beendet hielt. » Und jetzt«, fügte er hinzu, » würden wir Euch gern etwas übermitteln. Die Flutwelle, die morgen um die Mittagszeit hier eintreffen wird und die die Menschen als Walkönig bezeichnen, wird die größte und zerstörerischste seit Menschengedenken sein. Sie wird mit einer solchen Macht in die Nabe strömen, dass sie die Stadt vernichten und einen Großteil der Bevölkerung töten wird. Wir haben die Schiffe, die in der Rinne zur Nabe unterwegs waren, und den Wahrerherrn davor gewarnt. Selbst hier in Tenkor sollten die Kaufleute entlang des Ufers ihre Läden und Lagerhäuser verlassen.«
Ich runzelte die Stirn. » Aber wieso? Was is so besonders an dieser Flutwelle? Es gibt sie doch jedes Jahr, oder nich?«
Er nickte und setzte zu einer längeren Erklärung an. Ich hatte nicht gewusst, dass die Ghemfe so redegewandt sein konnten, wenn sie nur wollten. » Ja«, sagte er, » wenn die Monde und die Sonne in einer Linie stehen. Aber es gibt zwei andere Faktoren, die bei der Flutwelle morgen eine Rolle spielen werden. In den Bergen der Wahrer-Inseln hat es heftig und unablässig geregnet. Unglücklicherweise sind in den vergangenen etwa zehn Jahren die Berghänge und Täler von den Wäldern entblößt worden, die sie einst bekleidet hatten, um den Wahrer-Inseln das Holz zu verschaffen, das sie für ihre blühenden Schiffsbau-Unternehmen benötigten. Das Wasser fließt jetzt in so großen Mengen diese nackten Berghänge herunter wie nie zuvor. Alle Flüsse, die den Nabenfluss und die Nabenrinne speisen, führen Hochwasser, und der größte Teil davon wird morgen in der Nabenrinne ankommen. Außerdem entwickelt sich draußen auf dem Ozean ein Taifun, der sich nach Norden bewegt. Die Winde treiben eine Sturmflut auf die Küste zu, und die Flutwelle, die morgen auf das abwärts strömende Hochwasser treffen wird, wird jede Vorstellungskraft sprengen.
Begebt Euch morgen nicht ans Wasser, Syr Hochländer.«
BEGEBT EUCH MORGEN NICHT ANS WASSER .
Ein vernünftiger Rat, den ich allerdings nicht befolgen konnte. Wie auch? Glut war irgendwo da draußen auf einem Schiff, und es war nicht klar, ob es rechtzeitig den Hafen erreichen würde oder nicht.
Nachdem ich mit den Ghemfen in Tenkor gesprochen hatte, suchte ich Elarn Jaydon auf und bat ihn, mit mir zum Büro des Hohepatriarchen zu kommen. Als wir allerdings dort ankamen, erfuhren wir, dass Crannach wieder erkrankt war, und zwar diesmal schwerwiegend. Reyder kümmerte sich an seiner Stelle um alle Angelegenheiten des Patriarchats. Ich reihte mich nicht in die Schlange der Wartenden ein, um mit ihm zu sprechen, sondern schickte ihm eine Botschaft mit den schlichten Worten: » Muss Euch dringend sprechen«. Es hatte den gewünschten Effekt, denn Elarn und ich wurden sofort zu ihm vorgelassen. Möglicherweise mochte Reyder mich nicht sehr, aber er vertraute mir.
Und er vertraute den Ghemfen. Kaum hatte er gehört, was sie mir gesagt hatten, schickte er Botschaften an den Gildner, den Vorsitzenden der Handelskammer und den Hafenmeister.
» Und was is mit der Nabe?«, fragte ich. » Mit Glut?«
Er schwieg einen Moment, dann sagte er: » Die Herz der Wahrer wird es vielleicht nicht rechtzeitig bis zur Nabe schaffen. Wenn sie in der Rinne erwischt wird… wer weiß.«
» Wenn die Ghemfe recht haben«, sagte Elarn langsam, und es klang so, als wäre er noch nicht ganz davon überzeugt, dass dem so war, » wird jedes Schiff in der Rinne zertrümmert werden. Die Rinne wird zur Nabe hin immer schmaler, wodurch das einströmende Wasser höher steigt, während das abfließende schneller fließt… ein Schiff würde ans Ufer geschleudert werden. Sie müssen gewarnt werden.«
» Sie sind gewarnt worden«, erwiderte Reyder. » Das haben die Ghemfe gesagt. Aber vielleicht– nur vielleicht– wird Glut dadurch die einzige Möglichkeit zur Flucht geboten.«
Ich explodierte. » Bei der Schöpfung, Reyder! Ihr habt gehört, was Elarn gesagt hat. Glut is angekettet und gefesselt. Wenn das Schiff untergeht, dann auch sie!«
» Dann müssen wir hoffen, dass die Ghemfe ihr helfen«, sagte er. » Gilfeder, was könnten wir schon tun? Es ist unmöglich, rechtzeitig zu ihr zu gelangen. Angesichts des Zustands, in dem die Straßen sich gerade befinden, würde eine Reise sieben oder acht Tage dauern. Und die Gezeitenreiter-Gilde hat zu Recht alle Fahrten mit Langbooten
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