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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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seine besondere Aufmerksamkeit auf Sam, der auf der anderen Seite des Gitters immer noch stand. »Alles in Ordnung?« fragte er Adam.
    Adam nickte, und Sam ließ sich auf seinem Stuhl nieder. Adam erhaschte ein paar Blicke von den Anwälten am anderen Ende. Sie befanden sich im gleichen Raum wie der berühmteste Insasse des Todestraktes, der Mann, der als nächster in die Gaskammer gebracht werden sollte, und sie konnten einfach nicht anders - sie mußten immer wieder neugierige Blicke auf Sam Cayhall und seinen Anwalt werfen.
    Dann wurde die Tür hinter Sam geöffnet, und zwei Wärter kamen mit einem drahtigen, kleinen Schwarzen herein, der an Händen und Füßen doppelt und dreifach gefesselt war, als könnte er jeden Moment lospreschen und Dutzende mit den bloßen Händen umbringen. Sie führten ihn zu einem Stuhl gegenüber seinen Anwälten und machten sich daran, die meisten seiner Fesseln zu lösen. Die Hände blieben mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt. Einer der Wärter verließ den Raum, aber der andere bezog ungefähr in der Mitte zwischen Sam und dem Schwarzen Posten.
    Sam warf einen Blick auf seinen Leidensgenossen, einen nervösen Typ, der offenbar nicht glücklich war mit seinen Anwälten. Auch seine Anwälte machten nicht gerade einen freudig erregten Eindruck. Adam beobachtete sie auf seiner Seite des Gitters, und binnen Minuten hatten sie die Köpfe zusammengesteckt und redeten einstimmig durch die Öffnung, während ihr Mandant kämpferisch auf seinen Händen saß. Ihre leisen Stimmen waren hörbar, einzelne Worte aber nicht zu verstehen. Sam lehnte sich auf den Ellenbogen vor und bedeutete Adam, dasselbe zu tun. Ihre Gesichter kamen bis auf zwanzig Zentimeter aneinander heran, mit der Öffnung zwischen ihnen.
    »Das ist Stockholm Turner«, sagte Sam fast flüsternd. »Stockholm?«
    »Ja, aber wir nennen ihn Stock. Diese Afrikaner vom Lande haben ungewöhnliche Namen. Er sagt, er hätte einen Bruder, der Denmark heißt, und einen weiteren mit Namen Germany. Könnte sogar wahr sein.«
    »Was hat er getan?« fragte Adam, plötzlich neugierig geworden.
    »Einen Whiskyladen überfallen, glaube ich. Den Besitzer erschossen. Vor ungefähr zwei Jahren wurde die Vollstreckung des Todesurteils angeordnet, und er ist ihr nur um Haaresbreite entgangen, zwei Stunden vor der Kammer.«
    »Was ist passiert?«
    »Seine Anwälte konnten einen Aufschub bewirken, und seither tun sie alles, was in ihren Kräften steht. Man kann es zwar nie genau sagen, aber ich nehme an, er wird nach mir der Nächste sein.«
    Sie schauten beide zum anderen Ende des Raums, wo die Konferenz in vollem Gange war. Stock war von seinen Händen herunter, saß auf der Stuhlkante und machte seinen Anwälten die Hölle heiß.
    Sam grinste, dann kicherte er und beugte sich noch dichter an das Gitter heran. »Stocks Familie ist bettelarm und kümmert sich kaum um ihn. Das ist nichts Ungewöhnliches, besonders bei den Afrikanern. Er wurde fünfzig Meilen von hier entfernt geboren, aber die freie Welt hat ihn vergessen. Als seinen Berufungen der Dampf ausging, fing Stock an, sich Gedanken zu machen über das Leben und den Tod und die Dinge im allgemeinen. Hier ist es nämlich so, wenn niemand Anspruch auf den Toten erhebt, dann wird man vom Staat in einem Armengrab beigesetzt. Stock machte sich Sorgen darüber, was mit seiner Leiche geschehen würde, und fing an, alle möglichen Fragen zu stellen. Packer und einige der Wärter erfuhren davon und redeten Stock ein, seine Leiche würde ins Krematorium gebracht und verbrannt. Die Asche würde dann von einem Flugzeug aus über Parchman verstreut werden. Sie sagten ihm, da er dann ohnehin voller Gas steckte, würde er, wenn man ein Streichholz an ihn hielte, hochgehen wie eine Bombe. Stock war völlig am Boden zerstört. Dann fing er an, an seine Angehörigen und seine Freunde Briefe zu schreiben und sie um ein paar Dollar zu bitten, damit er ein christliches Begräbnis bekommen könnte, wie er es nannte. Das Geld tröpfelte herein, und er schrieb noch mehr Briefe. Er schrieb an Geistliche und Bürgerrechts-Gruppen. Sogar sein Anwalt schickte Geld. Als sein Aufschub annulliert wurde, hatte Stock an die vierhundert Dollar und war bereit zu sterben. Dachte er jedenfalls.«
    Sams Augen funkelten, und seine Stimme klang belustigt. Er erzählte die Geschichte langsam, mit leiser Stimme, und genoß die Details. Adam amüsierte sich mehr über die Erzählweise als über die Erzählung selbst.
    »Sie

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