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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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ihrer Handtasche und ihrem Aktenkoffer. »Gehen wir und suchen wir uns ein Restaurant.«
    Sie gingen in ein Bistro ganz in der Nähe, einen italienischen Familienbetrieb mit kleinen Tischen und düsterer Beleuchtung in einem umgebauten Bungalow. Dort saßen sie in einer dunklen Ecke und bestellten Drinks - Eistee für sie und Mineralwasser für ihn. Als der Kellner gegangen war, beugte Lee sich über den Tisch und sagte: »Adam, da ist etwas, das ich dir sagen muß.«
    Er nickte, sagte aber nichts.
    »Ich bin Alkoholikerin.«
    Seine Augen verengten sich, dann erstarrten sie. Sie hatten an den letzten beiden Abenden zusammen getrunken.
    »Seit ungefähr zehn Jahren«, erklärte sie, immer noch tief über den Tisch gebeugt. Der nächste Gast saß drei Meter entfernt. »Es gab eine Menge Gründe dafür, und einige davon kannst du vermutlich erraten. Ich machte eine Entziehungskur, kam sauber wieder heraus und hielt ungefähr ein Jahr durch. Dann wieder eine Entziehungskur. Ich habe drei solcher Kuren hinter mir, die letzte vor fünf Jahren. Es ist nicht leicht.«
    »Aber du hast doch gestern abend etwas getrunken. Sogar mehrere Gläser.«
    »Ich weiß. Und am Abend zuvor auch. Und heute habe ich alle Flaschen ausgeleert und das Bier weggeschüttet. Es ist kein einziger Tropfen mehr in der Wohnung.«
    »Das stört mich nicht. Ich hoffe, ich bin nicht der Grund dafür.«
    »Nein. Aber ich brauche deine Hilfe. Du wirst ein paar Monate bei mir wohnen, und wir werden manchmal eine schlimme Zeit durchmachen müssen. Hilf mir einfach.«
    »Natürlich, Lee. Ich wollte, du hättest es mir gleich nach meiner Ankunft gesagt. Ich trinke nicht viel. Ich kann es tun oder sein lassen.«
    »Alkoholismus ist eine merkwürdige Sache. Manchmal kann ich zusehen, wie andere Leute trinken, und es stört mich überhaupt nicht. Ein andermal sehe ich eine Bierreklame und bekomme einen Schweißausbruch. Ich sehe eine Anzeige in einer Zeitschrift für einen Wein, den ich früher gern getrunken habe, und das Verlangen ist so heftig, daß mir regelrecht schlecht wird. Es ist ein furchtbarer Kampf.«
    Die Getränke kamen, und Adam hatte Angst, sein Mineralwasser anzurühren. »Liegt das in der Familie?« fragte er, ziemlich sicher, daß es so war.
    »Ich glaube, nein. Sam hat sich gelegentlich hinausgeschlichen und etwas getrunken, als wir klein waren, uns aber nicht an die Flaschen herangelassen. Die Mutter meiner Mutter war Alkoholikerin, deshalb hat meine Mutter das Zeug nie angerührt. Ich habe nie etwas davon im Haus gesehen.«
    »Wie ist dir das passiert?«
    »Ganz allmählich. Als ich von zu Hause fortgegangen war, wollte ich mal probieren, weil es tabu war, solange Eddie und ich aufwuchsen. Dann lernte ich Phelps kennen, und er kommt aus einer Familie, in der bei Geselligkeiten viel getrunken wird. Es wurde zu einer Flucht, und dann wurde es zur Sucht.«
    »Ich werde tun, was in meinen Kräften steht. Es tut mir leid.«
    »Das braucht es nicht. Es hat Spaß gemacht, ein Glas mit dir zu trinken, aber jetzt muß Schluß sein. Ich bin dreimal rückfällig geworden, und immer hat es damit angefangen, daß ich dachte, ich könnte ein oder zwei Glas tanken und es unter Kontrolle halten. Ich habe einen Monat damit verbracht, Wein zu trinken und mit einem Glas pro Tag auszukommen. Dann waren es anderthalb Glas, dann zwei, dann drei. Dann wieder eine Entziehungskur. Ich bin Alkoholikerin, und ich werde nie davon loskommen.«
    Adam hob sein Glas und stieß mit ihr an. »Auf die Abstinenz. Wir halten sie gemeinsam.« Sie tranken beide einen großen Schluck.
    Der Kellner war ein Student, der genau wußte, was sie essen sollten. Er schlug überbackene Ravioli vor, nicht nur, weil sie die besten waren, die man in der Stadt bekam, sondern auch, weil sie in zehn Minuten auf dem Tisch stehen würden. Sie bestellten sie.
    »Ich habe mich oft gewundert, was du mit deiner Zeit anfängst, mich aber nicht getraut, dich zu fragen«, sagte Adam.
    »Früher habe ich einen Job gehabt. Nachdem Walt geboren und in die Schule gekommen war, habe ich mich gelangweilt. Daraufhin hat mir Phelps einen Job in einer Firma eines seiner Freunde besorgt. Dickes Gehalt, nettes Büro. Ich hatte eine eigene Sekretärin, die von meinem Job viel mehr verstand als ich. Nach einem Jahr habe ich wieder aufgehört. Ich hatte Geld geheiratet, Adam, also gehörte es sich nicht, daß ich arbeitete. Phelps' Mutter war entrüstet, daß ich ein Gehalt bezog.«
    »Was tun reiche Frauen denn

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