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Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kardinälin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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erreichte die Galeone Nantes. Ich ging an Land, um eine Barke zu besteigen, die mich die Loire hinauf bis nach Tours brachte. Dort hoffte ich, König Charles anzutreffen. Aber Seine Majestät war bereits vor Wochen abgereist – nach Orléans. Innerlich fluchend über die Angewohnheit des französischen Hofes, von einem Schloss zum nächsten zu ziehen, blieb ich zwei Tage in Tours, wo ich mich als die venezianische Gewürzhändlerin Carlotta ausgab.
    Die Loire hinauf reiste ich weiter nach Orléans, wo Jeanne d’Arc 1429 die Engländer besiegt hatte – damals stritten der Dauphin Charles VII . und Henry VI . von England um die Krone Frankreichs. Bin ich nicht in derselben Situation wie vor fünfundsechzig Jahren die junge Jeanne?, dachte ich, als ich ihrer in der Cathédrale Sainte-Croix von Orléans gedachte. Jeanne d’Arc brachte dem Dauphin die Krone Frankreichs, ich – wie Jeanne damals achtzehn Jahre alt – brachte dem König die Krone Neapels.
    O Jeanne, was riskieren wir, wenn wir das Schicksal nicht demütig hinnehmen, wenn wir uns dagegen auflehnen, wenn wir die Initiative ergreifen, statt still zu sitzen und schweigend zu lächeln? Wenn wir, geblendet vom Glorienschein des Erfolges, die unvermeidlichen Konsequenzen unseres Handelns ignorieren?

    König Charles war nicht mehr in Orléans, als ich dort ankam, und so reiste ich ihm bis Paris hinterher, wo er mich drei Wochen lang auf eine Audienz warten ließ.
    Ich nutzte die Zeit und besuchte die Sorbonne, die Universität von Paris, wo ich, als der florentinische Student Cosimo, einige Vorlesungen hörte. War es erst drei Jahre her, dass ich Lorenzo angefleht hatte, mich in Pisa studieren zu lassen? Und nun war ich in Paris! Auf den harten Bänken der Sorbonne hatten vor mir Albertus Magnus, Thomas von Aquino und Roger Bacon gesessen! Und Giovanni! Ich genoss die drei Wochen des Wartens auf die Audienz bei Charles in vollen Zügen, hörte Vorlesungen, stöberte in den Buchläden des Quartier Latin und lernte, was es zu lernen gab. Ich war wie berauscht von meinem Glück.
    Wenn ich nur geahnt hätte, dass die harten Bänke der Sorbonne nicht das höchste Glück waren!
    Es war nach einer der Vorlesungen über Physik und Metaphysik, als ich ihn traf. Er hatte einen Buchladen mit Kopierwerkstatt im Quartier Latin, nicht weit von der Universität. Ich wühlte mich durch seinen Laden, zog unzählige Bücher aus den Regalen, um sie durchzublättern, und stieß auf ein handgeschriebenes Exemplar von Roger Bacons Speculum Alchimiae – The Mirror of Alchemy. Der Buchhändler, ein freundlicher Herr in den besten Jahren, beobachtete mich, während ich vorsichtig die Pergamentseiten umblätterte.
    Doch dann entdeckte ich auf einem Tisch mitten im Laden einen viel kostbareren Schatz: einen großen Folianten, der nicht aus Pergamentseiten gebunden war, sondern aus einem Material, das mich an Papyrus erinnerte. Die Schrift, obwohl sehr alt, war gut lesbar. Die Texte waren in Griechisch und einer anderen Sprache, die ich nicht kannte. Auf der ersten Seite las ich, dass das Buch von einem Juden namens Abraham stammte – und meine Hände begannen zu zittern. Ich blätterte weiter und entdeckte die Verfluchung derjenigen, die das Buch lasen, ohne in die Mysterien eingeweiht zu sein. Neugierig, fasziniert, aufgeregt las ich weiter, Seite für Seite …
    … bis mich schließlich der Buchhändler ansprach. Ob ich Student an der Sorbonne wäre? Ob ich mich mit der Kunst der Alchemie beschäftigte? Ob ich das geheimnisvolle Buch lesen könnte? Und ob ich verstünde, was ich las? Meine Antworten erstaunten ihn derart, dass er mich, den armen Studiosus, zum Essen einlud.
    Und was er mir zu erzählen hatte, überraschte mich. Er zögerte zuerst, mir seine wahre Identität zu offenbaren, doch je länger wir nach dem Essen an der Seine spazieren gingen und uns unterhielten, desto mehr gewann ich sein Vertrauen. Er, der Eingeweihte, wusste, dass die Enthüllung der alchemistischen Arkana an eine nicht durch Meditation und Willenskraft vorbereitete Seele nur die innere Zerrissenheit verstärken würde. Er war fasziniert, als ich ihm erzählte, dass Giovanni Pico mein Maestro war und dass Sandro Botticelli und Marsilio Ficino zu meinen Freunden zählten, dass ich mit den Werken von Bernardo da Treviso, Gerbert d’Aurillac und Nicolas Flamel vertraut war.
    Da endlich gestand er mir, wer er war: Maître Nicolas Flamel!
    »Vous êtes fou!« , lachte ich ihn aus, während wir gemeinsam

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