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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Seide, und das Futter der geschlitzten Kleider war erlesen und so hauchdünn, dass die seidenen Unterröcke hindurchschimmerten.
    Eine groß gewachsene Kurtisane mit ebenmäßigem Gesicht und roten, zu einer kunstvollen Frisur aufgetürmten Haaren trat auf della Rocca zu und knickste. »Ich bin Mirandola aus Parma. Graf Gisiberto schwärmte mir so von Euren Kenntnissen und Eurem Ruhm vor, dass ich mich glücklich schätze, Euch persönlich kennen lernen zu dürfen.«
    »Nicht glücklicher als ich, da ich Euch kennen lernen darf.« Della Roccas Blick schweifte einen Augenblick über ihre eher üppige Gestalt, die ebenso wie ihre Haarfarbe genau seinem Geschmack entsprach, reichte ihr den Arm und führte sie in die Kirche. Kardinal Ferreri hatte bereits auf dem prunkvollsten der vorne aufgestellten Polsterstühle Platz genommen und musterte das Innere des Kirchenschiffs mit Kennermiene. »Der Altar stammt von Masaccio und die Gemälde dort sind von Botticelli und Raffael, den ich persönlich sehr schätze. Della Rocca, ich muss sagen, ich beneide Euch fast.«
    Der Abt hob in einer scheinbar hilflosen Geste die Hände. »Es wäre mir eine Freude, Euch diesen Raffael als Geschenk an-zubieten, doch leider verbieten es mir die Statuten des Klosters.«
    »Schade. Aber es ist vielleicht auch besser so. In meinen Kirchen wäre es nur ein Raffael unter vielen, während er hier einmalig ist.« Ferreri lächelte ihm huldvoll zu und zeigte auf eine Gruppe von Knaben in weißen Chorhemden und roten Krägen. »Das sind wohl die berühmten Sängerknaben Eurer Abtei.«
    »Ja, das sind die Lerchen von San Ippolito«, antwortete della Rocca mit sichtlichem Stolz. Er verneigte sich leicht vor Kar-dinal Farnese, dessen Wohlwollen er irgendwann gewiss auch brauchen konnte, hob kurz die Hand zu einer grüßenden Geste für die Knaben und ließ sich dann vorsichtig auf seinen Stuhl nieder, um sein Gewand nicht aus der Fasson zu bringen.
    Etwas abseits von den anderen Chorknaben stand der Solo-sänger, ein kleiner untersetzter Bursche, der mit seinem dunklen Teint wie ein tumber Bauernjunge aussah. Della Rocca fand, dass der Knabe reichlich verstört wirkte, und unterdrückte eine nervöse Handbewegung. Wenn der kleine Bengel die Messe nicht durchstand, würden es einige Leute bis an ihr Lebensende bedauern. Aber dann beruhigte er sich. Der Chorleiter galt als erfahrener, sehr zuverlässiger Mann, der wusste, was er tat.
    Della Rocca hatte erst am Abend zuvor erfahren, dass der eingeplante Sänger des Soloparts, der Schützling des Grafen, zur Unzeit in den Stimmbruch geraten und zudem in einer äußerst delikaten Situation mit einem anderen Chorknaben angetroffen worden war. Das spielte dem Abt in die Hände, denn jetzt, wo Graf Gisiberto nicht mehr vor allen anderen Gästen mit seinem Liebling angeben konnte, würde ihm der gesamte Ruhm dieser Uraufführung bleiben.
    Della Rocca winkte Pater Lorenzo und dessen Famulus Fassi grüßend kurz zu und widmete sich dann wieder seiner schönen Begleiterin. »Ich hoffe, die Messe ist nach Eurem Geschmack, Mirandola. Die Lerchen von San Ippolito werden weithin als bester Knabenchor gerühmt.«
    Sie konnte ihm nicht mehr antworten, denn der Prediger, den della Rocca aus Rom mitgebracht hatte, trat an den Altar und leitete die Messe ein.

XI .
    G iulia konnte später nicht mehr sagen, wie sie und ihr Vater in die Kirche gekommen waren, so nervös war sie. Pater Lorenzo beruhigte sie mit sanften Worten und stellte sie kurz den anderen Chorknaben vor. Deren Gesichter spiegelten von Neugier bis Abneigung alle erdenklichen Gefühle wider. Vor allem ein Junge, den Pater Lorenzo Ambrogio nannte, funkelte sie feindselig an. Giulia konnte nur vermuten, dass er sich vor Neid zerfraß.
    Damit hatte sie Recht. Da Ambrogio neben Ludovico die beste Stimme des ganzen Chores besaß, wäre er seines Erachtens der gegebene Ersatz für den Solopart gewesen. Nun fühlte er sich übergangen und war überzeugt, dass er wegen der Sache mit Ludovico nicht an die Reihe gekommen war. Da er Pater Lorenzo nicht persönlich angiften konnte, hatte er beschlossen, den von diesem herbeigeschafften Solosänger zu hassen.
    Auf dem Weg zum Chorgestühl kam er an einem Bildnis der Madonna vorbei und sah ihre Augen auf sich gerichtet. Voller Schuldgefühle dachte er daran, dass er sich in sündhafter Weise für Ludovico bereitgestellt hatte, und fürchtete sich plötzlich, hier in der Kirche zu singen. Er bat die Muttergottes in

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