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Die Kathedrale des Meeres

Titel: Die Kathedrale des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falcones Ildefonso
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betrat ein Zelt. Geschützt vor der Julisonne, die unbarmherzig auf das Feldlager niederbrannte, saßen dort außer der Patronin, die auf einem Hocker thronte, noch vier weitere Mädchen, die etwas älter waren als jene draußen, und ließen Aledis nicht aus den Augen. Die Patronin hatte genickt, als die Fremde aufgetaucht war, und eingewilligt, dass man ihr etwas zu essen anbot. Seither hatte sie das Mädchen nicht aus den Augen gelassen. Es war zerlumpt und schmutzig, aber schön … und jung. Was wollte sie hier? Sie war keine Vagabundin, denn sie bettelte nicht. Eine Hure war sie auch nicht, denn sie war instinktiv zurückgeschreckt, als sie jenen begegnete, die es waren. Sie war schmutzig, ja. Sie trug ein fadenscheiniges Hemd, gewiss, und ihr Haar war ein Wust fettiger Strähnen. Ihre Zähne jedoch waren schneeweiß. Dieses Mädchen hatte weder Hunger noch Krankheiten kennengelernt, die die Zähne schwärzten. Was wollte sie hier? Sie musste auf der Flucht vor irgendetwas sein, doch wovor?
    Die Patronin winkte eine der Frauen im Zelt zu sich.
    »Ich will sie sauber und nett hergerichtet«, flüsterte sie ihr zu, als diese sich zu ihr beugte.
    Die Frau sah Aledis an, dann lächelte sie und nickte.
    Aledis konnte nicht widerstehen. »Du brauchst ein Bad«, sagte eine der Huren, die aus dem Zelt gekommen war, als sie sich satt gegessen hatte, zu ihr. Ein Bad! Seit wie vielen Tagen hatte sie sich nicht mehr gewaschen? Im Zelt wurde ein Zuber mit frischem Wasser für sie vorbereitet und Aledis setzte sich mit angezogenen Beinen hinein. Die drei Mädchen, die ihr während des Essens Gesellschaft geleistet hatten, kümmerten sich um sie und wuschen sie. Weshalb sollte sie sich nicht verwöhnen lassen? In diesem Zustand konnte sie unmöglich vor Arnau treten. Das Heer lagerte ganz in der Nähe, und dort war Arnau. Sie hatte es geschafft! Weshalb sollte sie sich nicht waschen lassen? Sie ließ sich auch ankleiden. Die Mädchen suchten das unauffälligste Kleid für sie heraus, aber dennoch … »Die öffentlichen Frauen sind verpflichtet, grellbunte Kleider zu tragen«, hatte ihre Mutter ihr als Kind erklärt, als sie eine Prostituierte für eine adlige Dame hielt und ihr den Vortritt lassen wollte. »Auf königlichen Befehl müssen sie sich so kleiden, dürfen jedoch selbst im Winter keinen Umhang tragen. Du kannst eine Hure daran erkennen, dass ihre Schultern stets unbedeckt sind.«
    Aledis sah erneut an sich herunter. Frauen wie sie, die mit einem Handwerker verheiratet waren, durften keine bunten Kleider tragen. So befahl es der König. Und dabei waren diese Stoffe so hübsch! Aber wie sollte sie derart gekleidet vor Arnau treten? Die Soldaten würden sie für so eine halten … Sie hob einen Arm, um sich von der Seite zu betrachten.
    »Gefällt es dir?«
    Aledis drehte sich um und sah die Patronin neben dem Zelteingang stehen. Antonia – so hieß das blondgelockte Mädchen, das ihr beim Anziehen geholfen hatte – verschwand auf einen Wink der Frau.
    »Ja … nein …« Aledis betrachtete sich erneut. Das Kleid war lindgrün. Ob diese Frauen etwas hatten, das man sich um die Schultern legen konnte? Wenn sie sich bedeckte, würde niemand sie für eine Dirne halten.
    Die Patronin musterte sie von oben bis unten. Sie hatte sich nicht getäuscht. Ein sinnlicher Körper, der jeden Offizier erfreuen würde. Und ihre Augen? Die beiden Frauen sahen sich an. Sie waren riesig. Braun. Doch sie blickten traurig.
    »Was führt dich hierher, Mädchen?«
    »Mein Mann. Er ist in der Armee und ist aufgebrochen, ohne zu wissen, dass er Vater wird. Ich wollte es ihm sagen, bevor er in die Schlacht zieht.«
    Sie sagte das, ohne zu stocken, genau wie bei den Händlern, die sie aus dem Fluss gerettet hatten, nachdem der Fährmann versucht hatte, sich ihrer zu entledigen. Als die Händler aufgetaucht waren, hatte er die Flucht ergriffen. Sie zogen die ohnmächtige Aledis aus dem Wasser, und als sie sahen, dass sie vergewaltigt worden war, hatten sie Mitleid mit ihr.
    »Man muss ihn beim Stadtrichter anzeigen«, sagten sie zu ihr.
    Aber was sollte sie dem Stellvertreter des Königs sagen? Und wenn ihr Mann hinter ihr her war? Und wenn man sie entdeckte? Es würde zu einem Prozess kommen, und dann …
    »Nein. Ich muss das königliche Feldlager erreichen, bevor die Truppen nach Roussillon aufbrechen«, sagte sie, nachdem sie ihnen erklärt hatte, dass sie schwanger sei und ihr Mann nichts davon wisse. »Dort werde ich meinem Mann

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