Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
Deck unter. Es war ein mittelgroßer Holzkasten ohne Fenster, gesichert von einer Stahltür.
Links von der Tür lagen Sitzkissen, rechts stand ein niedriger Tisch. Endriel fand es fast gemütlich – fast. Der Admiral vertraute ihnen sogar genug, ihnen die Fesseln abnehmen zu lassen. Allerdings wurde von außen ein tragbarer Kraftfeldgenerator aufgestellt (»zu eurer eigenen Sicherheit«) und zusätzlich hatte Telios zwei Wächter abkommandiert. »Ich glaube nicht, dass sie zum Kult gehören«, hatte Keru der besorgten Endriel erklärt. »Aber ich kann mich auch täuschen.«
Die Minuten krochen dahin. Kai kehrte nicht zurück und die Anspannung der Mannschaft der Korona wuchs von Sekunde zu Sekunde, bis sie unerträglich wurde.
Endriel wanderte unaufhörlich auf und ab. Xeah und Miko hatten sich auf die Kissen gesetzt. Ihre Blicke folgten dem Kapitän. Keru lehnte mit versteinertem Löwengesicht neben der Tür und Nelen starrte zur Decke. Hin und wieder hörte man sie leise seufzen. Das Summen des Kraftfelds mischte sich mit ihrem Flügelschlag und Endriels ungeduldigen Schritten auf dem Holzparkett.
»Wir sollten froh sein, dass es die Friedenswächter sind, die uns gefunden haben, und nicht die Leute vom Kult«, brach Xeah das Schweigen.
Keru brummte höhnisch. »Das ist in diesem Fall genau das gleiche.«
»Das kann doch nicht so lange dauern!«, murmelte Endriel. Sie sah Miko an, doch der zuckte nur hilflos mit den Achseln. Ihr war klar, dass dies ihre letzte Chance war, Hilfe von Andar Telios zu bekommen. Doch wenn er noch mehr Zeit verlor, würden die Schatten zuschlagen. Und sie saßen hier drin wie auf dem Silbertablett.
»Setz dich endlich hin, verflucht!«, schnaubte Keru. »Dein Herumgerenne bringt uns gar nichts.«
Endriel stieß einen Seufzer aus und setzte sich zwischen Xeah und Miko. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen, doch als ihr klar wurde, wie viel Verzweiflung diese Geste ausdrückte, sah sie auf. Sie war der Kapitän. Letzten Endes war sie es, die die anderen in diesen Schlamassel hineingeritten hatte, also sollte sie wenigstens mit gutem Beispiel vorangehen und einen unerschütterlichen Eindruck machen.
Sie hätte nur gern gewusst, wie.
»Was werden die mit uns machen, Kapitän?« Miko massierte abwesend sein rechtes Handgelenk, wo die Fesseln rote Striemen hinterlassen hatten.
Endriel drehte sich in seine Richtung und sah die Verzweiflung in seinen Augen. Diesmal war sie es, die hilflos mit den Achseln zuckte. »Sie werden uns zurück nach Teriam bringen«, antwortete sie. »Sofern Andar sich dagegen entscheidet, uns zu helfen, und seinem Herrn und Meister weiterhin hörig bleibt.«
»Aber ich kann nicht zurück nach Teriam! Meine Eltern –!«
Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. »Mach dir keine Sorgen, Miko. Egal, was passiert, ich werde nicht zulassen, dass du wieder zu diesen Ungeheuern geschickt wirst.«
Er lächelte erleichtert, als glaubte er wirklich, dass sie sich erfolgreich der Autorität der Friedenswächter entgegenstellen konnte.
Nelen flatterte zu dem kleinen Fenster in der Tür. »Kai kommt zurück!«, verkündete sie.
Reflexartig fuhr Endriel auf. »Ist Andar bei ihm?«
»Nee.« Nelen schüttelte bekümmert den Kopf, während sie zu ihrer Freundin schwirrte. »Er ist allein. Abgesehen von seinem Wächter natürlich.«
Kurz darauf wurde das Kraftfeld deaktiviert und die Stahltür öffnete sich quietschend. Kai betrat den Raum. Er sah nicht glücklich aus. Noch bevor er etwas sagen konnte, hatten die Weißmäntel von außen bereits wieder die Tür geschlossen und die Lichtbarriere aufgebaut.
»Und?«, fragte Endriel. »Was ist nun?«
»Ich habe ihm alles gesagt. Er hat mir gut zugehört, denke ich.«
Xeah hob ihren Schädel. »Aber ob er uns hilft, hat er nicht deutlich gemacht?«
Kai schüttelte den Kopf und erklärte, dass Telios zuallererst den Gouverneur über alles in Kenntnis setzen würde und sie später über den Ausgang des Gesprächs informieren wollte.
»Scheiße!«, fluchte Endriel. Sie sank auf ein Sitzkissen. »Andar, du verfluchter Dickschädel!«
»Ich bin gespannt, wer das Rennen macht«, brummte Keru. »Die Schatten oder der Gouverneur –«
»Hör auf damit«, tadelte Xeah ihn. »Die Lage ist ernst genug.«
Keru verschränkte die Arme. »Was, glaubst du, versuche ich euch die ganze Zeit zu sagen?«
»Das war’s dann wohl.« Endriel massierte sich die Augen. »Alles umsonst.«
Kai setzte sich neben sie. Sie sah ihn an. Tu es!
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