Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
abwehrende Handbewegung, um unangenehme Erinnerungen zu verscheuchen. Dann wälzte sie sich zu Adelind herum.
» Ich mag Antonius « , erklärte sie mit ungewohnter Entschiedenheit. » Aber ich kann ihn nicht lieben, wie eine Frau ihren Mann lieben sollte. Er hat mehr verdient, als ich ihm geben kann. «
Adelind empfand plötzlich so viel Mitgefühl, dass sie sich dafür schämte, ihre Schwester gerade eben als kleine versponnene Närrin eingeschätzt zu haben. Zaghaft legte sie eine Hand auf Hildegards Schulter.
» Er wird sicher Geduld mit dir haben « , tastete sie sich zaghaft vorwärts. » Hildegard, ich glaube, wenn eine Frau einen Mann sehr gern hat, dann… dann ist es ganz anders als alles, was du mit Pater Severinus erlebt hast. «
Die Erinnerung an Peyres’ Streicheln ihrer Finger wurde so lebendig, dass ein wohltuendes Kribbeln durch all ihre Glieder fuhr. Sie war versucht, Hildegard nun doch davon zu erzählen, aber die Schwester hatte bereits ihre Stirn gerunzelt.
» Es ist, wie ich sagte. Ich will ein keusches Leben führen « , beharrte sie. » So wie die Frauen in diesem Haus. «
Adelind riss erstaunt die Augen auf. Darum also ging es.
» Wir wissen kaum etwas von diesen Frauen « , versuchte sie Hildegard zur Vernunft zu mahnen. » Und vergiss bitte nicht, in den Augen der Kirche, die uns aufgezogen hat und uns zu Nonnen weihte, gelten diese Leute als Ketzer. «
Nun war es ausgesprochen. Sie erschrak über ihre eigenen Worte, lauschte, ob Schritte vor der Tür zu vernehmen waren. Erst dann fiel ihr ein, dass hier kaum jemand die deutsche Sprache verstand.
Hildegard war sogleich aufgesprungen. Sie trat zum Fenster und schloss vorsichtig die Läden.
» Sag so etwas bitte nicht laut. Und überlege, ob dir etwas an ihnen wahrhaftig gottlos scheint. «
Adelind schwieg leicht beschämt. Sie konnte in der Tat nichts Gottloses an ihren Gastgebern finden, doch tief in ihr war die Ahnung einer Gefahr, die wie dunkle Wolken über diesem Haus schwebte und trotz der frühsommerlichen Wärme einen frostigen Wind durchs Zimmer wehen ließ.
Bevor sie die richtigen Worte für ihre Befürchtungen finden konnte, wurden sie zum Abendmahl gerufen.
Die Gräfin de Foix saß am Kopfende eines großen Tisches, doch hatte sie auf das für adelige Herrschaften übliche Podest verzichtet. Vor ihr lagen ein hölzernes Brett, ein schlichtes Messer und ein Löffel für die Suppe, selbst ihr Weinpokal unterschied sich nicht von den Gefäßen, aus denen die einfachen Mädchen hier tranken. Dennoch waren alle Blicke auf ihre hochgewachsene Gestalt gerichtet, denn sie strahlte eine Vornehmheit aus, die sie sogar in den Lumpen einer Bettlerin ausgezeichnet hätte.
Adelind und Hildegard wurden von den Versammelten mit einem Kopfnicken begrüßt und setzten sich auf die zwei letzten freien Plätze am Ende der Tafel. Adelind ließ ihren Blick nun aufmerksam durch den Raum wandern, auf der Suche nach Zeichen von etwas, das anders war, abweichend von allem Vertrauten und daher vielleicht ketzerisch. Wieder konnte sie kein Fleischgericht auf der Tafel entdecken.Sie sah nirgends ein Kruzifix, weder an der Wand noch um den Hals eines Anwesenden hängend, was ihr merkwürdig schien. Biatris ergriff einen Brotlaib, den sie in kleine Stücke riss und an alle Anwesenden verteilte. Das vertraute Paternoster wurde in der Landessprache gemurmelt, dann griffen die Versammelten nach den Speisen. Biatris saß an der Seite der Gräfin, ihr gegenüber hatte man Peyres platziert, der angeregt mit der Hausherrin und seiner Schwester plauderte. Adelind spitzte die Ohren, aber die Stimmen waren zu leise, um sie mehr als nur vereinzelte Worte erhaschen zu lassen. Der Name des Bischofs Nantelmus fiel klar und deutlich. Die Gräfin biss sich auf die Unterlippe und fuhr nachdenklich mit einem Finger über die Fläche der Tafel, als fertige sie eine Zeichnung an.
» Gehört ihr zu den Gauklern? « , fragte plötzlich ein kleines, rundliches Mädchen an Adelinds Seite und hinderte sie dadurch am weiteren Lauschen.
» Wir sind eine Weile mit ihnen herumgezogen, da wir keine andere Wahl hatten « , erwiderte Hildegard, bevor Adelind zu Wort kommen konnte. Sie staunte, wie schnell auch ihre Schwester die Sprache des Languedoc gelernt hatte.
» Es ist sündhaft, den Körper für Geld zur Schau zu stellen « , erklärte das kugelrunde Mädchen. » Doch Esclarmonde duldet es bei dem Bruder von Biatris. Er zieht herum, um Botschaften an unsere Brüder
Weitere Kostenlose Bücher