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Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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vielleicht war es gerade das, was
Bruder Hilpert so verblüffte. Die Szenerie war italienisch, eine
Hügellandschaft mit Pinien, Zypressen und Rhododendron, mit einer Schafherde in
der Bildmitte. Das eigentlich Erstaunliche an dem mit sattem Grün, Gold und
dunkelblauen Farbtönen durchtränkten Wandbehang aber war der Vordergrund, ein
verwunschener, in unmittelbarer Nähe einer Quelle gelegener Hain. Die Ruinen
eines römischen Tempels verliehen der Szenerie ein antikes Gepräge, wenngleich
nicht er es war, der im Mittelpunkt stand.
    Die Rolle des Blickfangs hatte nämlich ein auf den
ersten Blick ungleiches Paar übernommen. Zum einen war dies ein nackter, mit
allen Vorzügen der Natur ausgestatteter Jüngling, dunkelhaarig und mit
marmorfarbener Haut. Und zum anderen ein Faun, alt, bocksfüßig und von geradezu
widernatürlicher Hässlichkeit. Er spielte auf einer Hirtenflöte, eine
einschmeichelnde Weise, wie es schien, und seine Absicht, den Jüngling zu
verführen, wurde durch Ausdruck und Gestus mehr als klar.
    Beileibe nicht prüde, obwohl ihm sein Gelübde eine
Distanz zu den Verlockungen des Fleisches abnötigte, widernatürlichen allzumal,
zog dieses Meisterwerk flämischer Kunst Bruder Hilpert auf Anhieb in seinen
Bann. Er war einfach sprachlos, nachgerade erstaunt, dass er ausgerechnet hier,
in den Gemächern eines Domkapitulars, ein solches Kunstwerk zu sehen bekam,
noch dazu mit einem derart anrüchigen Motiv.
    »Und was, Bruder Hilpert, führt Euch hierher?«, war
Eustachius von Marmelstein bemüht, so viel Langweile wie möglich auszustrahlen.
    »Ein Auftrag Eures Herrn, des Bischofs!«, erwiderte
Bruder Hilpert knapp, nicht willens, sich von dem übergewichtigen Domkapitular
mit der schläfrigen Stimme einlullen zu lassen. Eine Parallele zu seinem Herrn,
Bischof Johann, war indes auf Anhieb zu erkennen: In seinem Gemach war kein
einziges Kruzifix zu sehen, vom Bildnis eines Heiligen oder dem der
Muttergottes ganz zu schweigen.
    »Wie kommt es dann, dass ich nichts davon weiß?«,
entgegnete der Domkapitular mit aufreizender Lässigkeit und führte eine
attische Trinkschale an den Mund. Die Tatsache, dass er sich auf einem
römischen Ruhebett räkelte, zeugte darüber hinaus nicht von übermäßigem
Interesse für Bruder Hilperts Mission.
    Dieses Desinteresse jedoch war kalkuliert, das merkte
Bruder Hilpert sofort. Und er war nicht bereit, sich von diesem aufgeschwemmten
Fleischberg ins Bockshorn jagen zu lassen. »Weil mein Auftrag ein geheimer ist,
darum!«, erwiderte Bruder Hilpert barsch, hart an der Grenze zur Unhöflichkeit.
    Von Marmelstein horchte auf und zupfte an seiner mit
Purpurfäden durchwirkten Tunika herum. Ein deutliches Zeichen, dass er sich der
Brisanz der Begegnung durchaus bewusst zu sein schien. Trotz dieser Tatsache
ließ er sich mit seiner Antwort Zeit, taxierte die mit einem Rubin geschmückte
Hand und ließ den Finger über den Rand seines Trinkgefäßes gleiten.
    Als er zu einer Antwort ansetzte, kam ihm Bruder
Hilpert jedoch zuvor, und dies in einer für ihn untypischen Art: »Um Eure, Herr
von Marmelstein, und auch meine Zeit nicht nutzlos zu vergeuden: Was habt Ihr
mit einem Weinhändler namens Eckehard Büttner zu tun?«
    Die Reaktion des Domkapitulars hätte auffälliger nicht
ausfallen können. Seine Froschaugen, sozusagen die Krönung in einem an
Feistigkeit nicht zu überbietenden Gesicht, quollen fast aus den Höhlen, und
das Kinn sackte mehrere Zoll tief ab. »Ein Weinhändler? Ich? Wie war doch
gleich sein Name?«, wirkte seine Erwiderung geradezu grotesk.
    Trotz der ihm von Sieglinde verordneten Mittagsruhe
war es mit Bruder Hilperts Geduld nicht weit her. »Ganz wie Ihr wollt, Herr von
Marmelstein!«, unterbrach er das Geplänkel in kategorischem Ton und ließ seiner
Attacke eine weitere, ungleich härtere folgen: »Was hat es mit den Zahlungen
auf sich, die dieser Büttner jeden Monat in Eure Schatulle fließen lässt?«
    Dem Domkapitular blieb in des Wortes ureigenster
Bedeutung die Spucke weg, und er glotzte Bruder Hilpert mit weit aufgerissenem
Kiefer an. »Woher wisst Ihr das?«, nahm sich seine Antwort wie ein
vorweggenommenes Geständnis aus.
    »Das tut nichts zur Sache!«, beschied ihm Bruder
Hilpert knapp. »Aber wenn Ihr schon so entgegenkommend seid – könnt Ihr mir
sagen, weshalb die Konzession für den exklusiven Handel mit Reliquien innerhalb
der Mauern dieser Stadt mit Beginn dieses Jahres um mehr als das Doppelte
erhöht worden ist? Von 200

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