Die Kleinbürger (German Edition)
über ihre Wahl erklären sollte, ereignete sich folgendes:
Es war ein Sonntag, der Tag, an dem Thuilliers mit Vorliebe für ihren regelmäßigen Besuchsempfang festhielten.
Überzeugt davon, daß die kleinen Betrügereien der Dienstboten, gewöhnlich »der Schmugroschen« genannt, der Ruin auch der bestfundierten Vermögen sind, hatte Frau Phellion die Gewohnheit, die Einkäufe bei ihren Lieferanten persönlich zu machen. Seit undenklichen Zeiten war im Hause Phellion der Sonntag der Tag, wo es Rindfleisch gab, und die Frau des großen Mitbürgers war in ihrem absichtlich vernachlässigten Kostüm, mit dem sich die Hausfrauen, wenn sie Besorgungen machen, zu entstellen pflegen, ganz harmlos aus dem Fleischerladen nach Hause zurückgekehrt, gefolgt von ihrer Köchin, die in ihrem Korb ein prachtvolles Stück schieres Rindfleisch trug. Schon zweimal hatte sie an der Tür geläutet, und ein schreckliches Donnerwetter zog sich über dem Haupte des kleinen Dienstmädchens zusammen, das durch seine Langsamkeit beim Türöffnen ihre Herrin in eine viel unerträglichere Situation brachte, als es die Ludwigs XIV. war, der nur beinahe hätte warten müssen. In ihrer fieberhaften Ungeduld hatte Frau Phellion eben wütend zum drittenmal geklingelt. Man stelle sich nun ihre Verwirrung und Erregung vor, als sie in diesem Augenblick aus einem kleinen Kupee, das geräuschvoll vor ihrer Haustür vorgefahren war, eine Dame aussteigen sah, und sie in diesem unzeitigen ganz frühen Besuch die elegante Gräfin Torna von Godollo erkannte.
Dunkelrot im Gesicht verlor die unglückselige Bürgersfrau den Kopf, und während sie sich in Entschuldigungen erschöpfte, war sie im Begriff, ihre schon so peinliche Situation noch zu verschlimmern; glücklicherweise erschien jetzt, von dem andauernden Klingeln herbeigerufen, Phellion im Schlafrock mit einem griechischen Käppchen; er war aus seinem Zimmer gekommen, um nachzusehen, was es gäbe. Nach einem Satz, der in seiner pompösen Wendung für sein Negligé, das er entschuldigen sollte, reichlich entschädigte, reichte der große Mitbürger mit der heiteren Ruhe, die ihn nie verließ, der Fremden galant den Arm und sagte, nachdem er sie in dem Salon hatte Platz nehmen lassen:
»Darf man, ohne indiskret zu sein, die Frau Gräfin fragen, was uns die Freude eines so unerwarteten Besuches verschafft?«
»Ich hatte den Wunsch,« antwortete die Ungarin, »mit Frau Phellion über eine Angelegenheit zu reden, die von lebhaftestem Interesse für sie sein muß. Ich hatte keine Gelegenheit, mit ihr ohne Zeugen zu sprechen; daher habe ich mir, obgleich ich kaum mit ihr bekannt bin, erlaubt, sie bis hierher zu verfolgen.«
»Oh, gnädige Frau, Sie erweisen unsrer ärmlichen Behausung ja eine ganz besondere Ehre ... Aber wo ist denn meine Frau?« fuhr der würdige Mann ungeduldig fort und wandte sich zur Tür.
»Nein,« sagte die Gräfin, »ich bitte dringend, sich nicht stören zu lassen. Ich bin ihr unglückseliger Weise mitten in ihre häuslichen Wirtschaftssorgen gefallen. Brigitte hat schon begonnen, mich gründlich zu erziehen, und ich weiß die Sorgen einer Hausfrau wohl zu würdigen. Und abgesehen davon bin ich ja nicht zu beklagen, da mich Ihre Gegenwart, auf die ich nicht gerechnet hatte, entschädigt.« Bevor Phellion auf diese liebenswürdigen Worte antworten konnte, erschien Frau Phellion: eine Haube mit Bändern hatte den Markthut ersetzt und ein weiter Schal verhüllte die übrigen Unzulänglichkeiten ihrer Morgentoilette. Als er seine Frau eintreten sah, wollte sich der große Mitbürger diskret zurückziehen.
»Herr Phellion,« sagte jetzt die Gräfin, »Sie sind bei der Besprechung, die ich mit Ihrer Gemahlin abzuhalten wünsche, nicht zu viel; im Gegenteil, Ihr vortreffliches Urteil kann uns nur von Nutzen bei der Aufklärung einer Frage sein, an der Sie nicht weniger interessiert sind als Ihre würdige Gattin; es handelt sich um die Heirat Ihres Herrn Sohnes.«
»Die Heirat meines Sohnes?« sagte Frau Phellion erstaunt; »ich weiß ja gar nicht, daß etwas Derartiges augenblicklich in Frage kommt.«
»Die Verheiratung des Herrn Felix mit Celeste,« entgegnete die Gräfin, »ist doch, denke ich, ein Wunsch, wenn nicht ein Projekt von Ihnen?«
»Gnädige Frau,« sagte Phellion, »wir haben in bezug hierauf keinerlei Schritte getan.«
»Das weiß ich nur zu gut,« erwiderte die Ungarin, »da im Gegenteil alle Mitglieder Ihrer Familie meinen Bemühungen entgegenzuarbeiten scheinen;
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