Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)
voneinander entfernt waren. Beide sahen so aus, als wäre jemand aus dem Hinterhalt getötet worden, als hätte ihnen jemand die Kehle oder eine große Lendenarterie aufgeschlitzt, ohne dass sie die Chance bekommen hatten, sich zur Wehr zu setzen.
Als ich mich genug auf der Lichtung umgeschaut hatte, kehrte ich zurück auf die Straße. Dort führte eine weitere Reihe von Linien in die eingeschlagene Richtung. Da ich ziemlich sicher weit zurückgefallen war, sattelte ich mein Pferd und stieg auf. Hera ritt im Damensitz hinter mir. Im Laufe des Nachmittags stieß ich auf eine Kreuzung, an der alle Spuren in Richtung Tien abbogen. Wie du dir vermutlich schon gedacht hast, habe ich das Mädchen nicht eingeholt, wenn ich auch auf dem Weg nach Tien über zwei verwundete Durkoth gestolpert bin – zu schwer verletzt, um weiterzureiten, nehme ich an – und eine davon hätte mich beinahe erwischt, ehe ich ihr den Garaus machen konnte.«
»Denkt ihr wirklich, ein junges Mädchen wäre imstande, zwei Durkoth zu töten und all diese anderen Dinge zu vollbringen?«, fragte Triss. »Wie?«
HaS zuckte mit Heras Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, wie sie diesen ersten Kampf hat überleben können oder wie sie all diese anderen fantastischen Dinge geschafft haben könnte, die ich ihr zuschreibe. Aber ich bin ziemlich sicher, dass genau das geschehen ist, und die Beweise, die ich finden konnte, stützen diese Vorstellung. Ich mag Reyna nicht gefunden haben, aber zwischen dort und hier habe ich am Straßenrand noch weitere zehn Durkothgräber und die Leichen von ungefähr zwanzig anderen Opfern gesehen, bei denen es sich nach meinem Eindruck um unschuldige Zuschauer gehandelt haben muss.«
»Vielleicht war nicht Reyna die, die all das getan hat«, sagte ich, während ich die Reste meines Abendessens wegpackte. »Es könnte eine dritte, bisher unbekannte Partei gewesen sein.« Mir ging das tote Mädchen nicht aus dem Kopf, dass Feis Feldwebel Zishin gefunden hatte – das, über dessen Leiche sich zwei Elitesoldaten gebeugt hatten – und ich fragte mich, ob das die verschwundene Reyna war.
»Eine dritte Partei, die zufällig ausgerechnet in diesem Moment in Erscheinung tritt?«, fragte HaS. »Eine, die für die Durkoth so klingt wie ein flüchtendes kleines Mädchen? Eine, die außerdem Reynas Leiche vom Schlachtfeld entfernt oder sie sonstwie hat verschwinden lassen? Und das alles, ohne irgendwelche Hinweise zu hinterlassen, die auf ihre Existenz verweisen könnten?«
»Das ist die eine Möglichkeit«, sagte ich. »Vielleicht war sie aber auch eine Art Magierin, oder sie hatte Hilfe.«
Ich sprach es nicht aus, aber diese Art des Tötens aus dem Hinterhalt klang ganz nach einem meiner Art. Und nun, da ich Devin begegnet war, wusste ich auch, dass einige meiner Brüder nach dem Fall des Tempels ihr Mäntelchen nach dem Wind gehangen hatten und durchaus bereit sein könnten, solch einen Auftrag zu übernehmen. Aber ich wollte derlei Überlegungenderzeit noch nicht teilen, nicht, solange ich nicht mehr Informationen hatte. Nicht, solange ich nicht absolut sicher war, wer in diesem Fall auf Seiten der Gerechtigkeit stand.
»An Magie wäre ich eher bereit zu glauben«, bekundete HaS.
»Wir haben untereinander schon darüber diskutiert«, sagte Hera. »Stal sagt die Theorie mit den unbekannten Verbündeten zu, aber ich kann mir das nicht vorstellen. Es hat nie irgendwelche Hinweise darauf gegeben, dass sie nicht allein war. Ich glaube, sie könnte eine viel ältere Magierin gewesen sein, die sich nur den Anschein gegeben hat, ein junges Mädchen zu sein.«
»Wie hätte sie das hinkriegen sollen?«, fragte Triss. »Illusionen funktionieren wunderbar, wenn man es mit Magieblinden zu tun hat, aber ich habe noch nie davon gehört, dass Dyaden mit solchen Einschränkungen geschlagen wären.«
»Sind wir auch nicht«, sagte Stal. »Wäre Reyna in einen aktiven Bann gehüllt gewesen, dann hätte Hera ihn gesehen. Und wenn nicht Hera, dann eben eine der anderen Magierhälften.«
»Aber es gibt eine Möglichkeit …«, fing Hera an, verstummte aber, als Stal ihr einen scharfen Blick zuwarf.
»Darüber werden wir nicht reden«, sagte Stal.
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W orüber?« Neugierig beugte ich mich auf meinem halben Fass vor, aber Stal bedachte mich mit einem steinharten Blick und sagte keinen Ton.
»Wir können es ihm ebenso gut erzählen«, meldete sich etwa ein Dutzend Herzschläge später HaS wieder zu Wort.
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