Die Königsmacherin
verriet niemandem, wer er wirklich war. Keiner wird in Euch dringen, Eure Herkunft preiszugeben, wenn Ihr dies nicht wünscht.« Er sah Frau Berta herausfordernd an und griff über den Tisch. Bertrada reichte ihm schnell den Kelch zurück. Als sich dabei ihre Finger berührten, entging Frau Berta nicht, daß ein kleiner Schauer durch Karlmanns Leib lief. Sieh an, dachte sie, so abhold, wie man munkelt, scheint er den weiblichen Reizen doch nicht zu sein.
Seit dem Tod seiner Frau vor drei Jahren hatte niemand Karlmanns Namen mit dem eines weiblichen Wesens in Verbindung bringen können. Den seines Bruders hingegen mit unzähligen Frauen. Flüchtig dachte Frau Berta an die Enkelin, die sie vor sehr vielen Jahren nur ein einziges Mal gesehen hatte. Ob das Mädchen wohl in der Lage war, die Begierden ihres Gemahls zu zügeln? Die Erfahrung spricht dagegen, überlegte Frau Berta, die sich im Laufe der eigenen Ehejahre an die Kebs- und Friedelfrauen ihres inzwischen lang verstorbenen Mannes nicht nur gewöhnt, sondern sich mit einigen von ihnen sogar angefreundet hatte. Der Tod seiner letzten Friedelfrau hatte ihr mehr zugesetzt als der seine. Männer bleiben fremde Geschöpfe. Unsere Freunde können sie erst sein, wenn sie uns nicht mehr begehren. Bei Frauen sieht die Sache anders aus. Wir kennen einander, sind einander von Natur aus vertraut. Ist erst einmal die Eitelkeit überwunden und dadurch die Eifersucht besiegt, ist es entlastend, sich den Mann zu teilen. Aber ob die kleine Bertrada das begreift?
»Wohl gesprochen, Herr Karlmann«, sagte sie laut. »Und dazu paßt, daß auch unsere Flora mit seherischen Gaben ausgestattet ist.«
Sie machte eine kleine Pause. »Mein Schützling«, fuhr sie schließlich fort, »hat nämlich vorhergesehen, daß uns Bischof Bonifatius in Prüm beehren wird.«
Das Blut wich aus Karlmanns Gesicht.
»Wann?« fragte er knapp.
»Fragt doch Flora«, erwiderte Frau Berta.
»Bald«, antwortete Bertrada etwas hilflos.
Karlmann sprang auf. Er vergaß, daß er noch vor wenigen Augenblicken beschlossen hatte, ein wenig länger in Prüm zu verweilen, um diese geheimnisvolle junge Frau besser kennenzulernen. Doch auf keinen Fall durfte er jetzt mit dem Bischof zusammentreffen! Er fürchtete sich vor dessen Vorhaltungen und wollte sich gegenüber dem Gottesmann nicht rechtfertigen müssen. Möglicherweise war dem Bischof gar zu Ohren gekommen, daß er erst zwei Wochen zuvor einen Abt hatte aufknüpfen lassen. Aber der Mann hatte sich nun mal gegen die Enteignung seiner Klosterländereien gewehrt, und so war es erforderlich geworden, ein Exempel für seine Amtsbrüder zu statuieren. Es ging nicht an, daß sich Kirchenvertreter offenen Widerstand gegen die Herrschenden erlaubten! Die Hinrichtung hatte jedoch Folgen gezeitigt, die dem Erzbischof vielleicht ebenfalls schon zugetragen worden waren, und die er möglicherweise noch viel heftiger brandmarken würde. Aber woher hätte Karlmann auch wissen können, daß die Eiche, an die er den Mönch hatte aufhängen lassen, noch vor gar nicht allzulanger Zeit dem Heidengott Donar geweiht gewesen war? Die Bauern der Umgebung hatten dieses ›Menschenopfer‹ als Zeichen für ein neues Erstarken ihrer alten Götter gewertet, und einige waren, verstohlen zwar, aber unverkennbar, zu ihnen zurückgekehrt. Überall wurden wieder Opfergaben in Steinvertiefungen gefunden und verbotene Knüpfereien, die an Wegegabelungen niedergelegt worden waren.
»Mich rufen dringende Geschäfte«, erklärte Karlmann. »Ich muß sofort aufbrechen.« Dann soll Bonifatius eben noch eine Eiche fällen, dachte er, als er hastig Abschied nahm.
Doch es war zu spät. Bonifatius und sein Gefolge waren schon in den Abteihof eingeritten, bevor Karlmanns Pferd aus dem Stall geführt wurde. So sah sich Karlmann auch noch in der unangenehmen Lage, als erster den Bischof in Prüm willkommen heißen zu müssen.
Bertrada bekam den hohen Gast erst am nächsten Abend zu Gesicht. Die Nacht verbrachte sie nicht im Gästezimmer der Abtei, denn das wurde für die wichtigsten Männer aus des Erzbischofs Gefolge benötigt – Bonifatius selbst schlief im Haus des Abtes –, sondern in Frau Bertas geräumiger Villa am Hang oberhalb der Abtei. Hier wohnte die Herrin, wenn sie nach Prüm kam, und von dieser Warte aus konnte sie das gesamte Klostergelände am Ufer der Prüm überblicken.
»Siehst du den Bruder in der linken Ecke vor dem Stall?« fragte Frau Berta, als sie sich am Mittag neben
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