Die Königsmacherin
schilderte er seinem Bruder, welch unvergleichliche Freuden der weibliche Körper einem Krieger nach der Schlacht bereiten konnte, doch Karlmann schien nicht daran interessiert, diese Erfahrung zu machen. Also sorgte Pippin drei Mal dafür, daß sein Bruder nachts eine nackte Frau in seinem Bett vorfand. Alle drei berichteten jeweils am nächsten Tag, der ältere Hausmeier habe sie, ohne sie auch nur näher zu betrachten, höflich gebeten, sich wieder anzukleiden und zu entfernen.
Karlmann dagegen dachte auch mitten im Schlachtengetümmel unablässig an Bertrada und kämpfte beim Gedanken an ihre Zurückweisung um so draufgängerischer. Wenn er seinem Gegner die Lanze in die Brust stieß, spürte er das Bluten seines eigenen Herzens etwas weniger. Er lebte allein auf jenen Augenblick hin, da er wieder nach Mürlenbach zurückkehren und Bertrada abermals um ihre Hand bitten würde.
Bis dahin sollten noch fast zwei Jahre vergehen. In dieser Zeit veränderte sich Bertrada sehr. Sie wurde stiller, ernster und sehr viel strenger, wie die Frauen im Genitium bedauernd feststellten. Jede wußte den Grund um diese Wandlung, aber keine verstand ihn so recht. Die junge unverheiratete Frau sollte doch froh sein, daß Gott ihr vaterloses Kind sofort nach der Geburt zu sich genommen hatte, meinten sie.
Bertrada selbst aber war untröstlich. In diesen Sohn eines unbekannten Edelmannes hatte sie all ihre Hoffnungen gesetzt. Nachdem sie sich mit ihrer Schwangerschaft abgefunden hatte, stellte sie zu ihrem Erstaunen fest, daß sie sich sogar auf das Kind freute. In ihm sah sie mit einemmal einen Grund für ein Weiterleben, eine Zukunft. Während ihr Leib immer runder wurde, malte sie sich aus, wie dieser Junge – sie erwog nicht einmal, daß es auch ein Mädchen sein könnte – zu einem Mann heranreifen und bedeutende Werke verrichten würde. Ihr ganzes Leben wollte sie diesem Kind weihen, es auf eine Zukunft vorbereiten, in der es zu Großem berufen war. Noch bevor er laufen konnte, würde sie ihn das Reiten lehren, ihn dann zum besten Schwertmeister schicken und zu den Mönchen nach Prüm, damit er gottesfürchtig würde und lesen und schreiben erlernte. Frau Berta würde schon dafür sorgen, daß sich Vater Gregorius dem nicht widersetzte! Ihr fiel eine gewisse Neigung des Abtes ein, und sie verwarf schließlich den Gedanken, ihren gewiß sehr schönen Sohn in Prüm ausbilden zu lassen. Sie würde ihn lieber gleich Bonifatius anvertrauen. Hatte dieser erst einmal die Fähigkeiten ihres Sohnes erkannt, würde er ihn bestimmt fördern, ihn zu einem angesehenen Kirchenmann machen, der selbst einmal Bischof werden konnte. Vielleicht sogar Papst! Sie bekreuzigte sich auf der Stelle, weil sie einsah, daß dies doch ein sehr hoffärtiger Wunsch war. Aber sie würde ihm beibringen, wie er im Wald überleben konnte und welche Kräuter für die Gesundheit wichtig waren. Sie würde ihn alles lehren, was sie wußte, um ihn stark und unbesiegbar zu machen. Auf einmal hatte ihr Leben wieder einen Sinn!
Doch dann bedachte sie, wie wenig sie selbst wußte. Sie schalt sich, ihren eigenen Lehrern nicht ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Wie Teles, der fast nur nachts unterwegs gewesen war, hätte auch sie den Sternenhimmel kennen sollen. Doch bei ihrer Wanderung nach Prüm war sie ausschließlich auf die Sonne angewiesen gewesen, um die Richtung einhalten zu können! Aus den Sternen hätte sie ja nicht einmal etwas über die Zukunft sagen können! Was wußte sie schon von Politik, von der Geschichte ihres eigenen Landes? Was über Schlachtenordnungen? Wie bediente man die Wurfaxt, die Lanze, das zweischneidige Langschwert? Sie hatte Caesar lesen müssen, sich aber bei seinen Auslassungen über Strategien gelangweilt und nichts davon behalten. Sie war unzählige Male mit zur Jagd geritten, hatte sich aber immer abgewandt, wenn die Jäger das Tier eingekreist hatten, um ihm den Todesstoß zu geben. Wie dumm sie doch gewesen war!
Mit klopfendem Herzen eilte sie in den hölzernen Bergfried zu Frau Berta.
»Ich will lernen!« sagte sie atemlos. »Ich flehe Euch an, Frau Berta, lehrt mich alles, was Ihr wißt!«
Die alte Frau blickte von ihrem Pergament am Lesepult auf, hob die Augenbrauen und fragte: »Warum sollte ich das tun?«
»Weil mein Sohn …«
Bertrada brach ab … dann Ehre über Euer Haus bringen wird, hatte sie sagen wollen, aber plötzlich klang das alles sehr anmaßend. Sie senkte den Blick.
»Verzeiht, Herrin«,
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