Die Königsmacherin
Hexe begegnet! Es war kein guter Gedanke gewesen, das Kloster in Prüm zu gründen. Mutter und Ehefrau von Königen! Nichts hatte die Hexe davon berichtet, daß seine arme Tochter jahrelang verlassen und verleugnet werden würde und ihr zusätzlich ein Schicksal beschieden war, das er nicht einmal seinem ärgsten Feind wünschte, nämlich in die Fänge seiner machtversessenen, kaltherzigen Mutter zu geraten!
Empört hatte Bertrada inzwischen ihre Hand weggerissen.
»Was fällt Euch ein, Herr!«
Sie erhob sich, was angesichts ihrer Aufmachung nicht so würdevoll wirkte, wie sie es gern gehabt hätte. Pippins Aufforderung überhörte sie.
»Ich werde mich jetzt umkleiden«, entschied sie. »Das Gespräch können wir später weiterführen.«
»Dann werde ich jetzt mein Schreiben aufsetzen«, erklärte Pippin friedfertig. »Man möge uns entschuldigen.«
Doch als Bertrada den Saal durchquerte, blickte jeder auf die nackten Füße unter dem langen Gewand, und keinem entging, daß der linke fast eine halbe Handbreit größer war. Pippin wandte sich an Frau Berta.
»Kennt Ihr die Sage von der Schwanenjungfrau?« fragte er nachdenklich und fuhr mit der Hand über das Amulett, das unter seiner golddurchwirkten Tunika an einem Band um seinen Hals hing.
Während sie die Anhöhe zur Villa hinaufstieg, überlegte Bertrada, ob sie einen Fehler begangen hatte. Was, wenn die Großmutter ihren Eltern in ihrer Abwesenheit von ihrer Schwangerschaft und dem toten Kind berichtete? Frau Berta war alles zuzutrauen. Sie eilte den Berg hinauf, stürzte ins Haus, schüttelte ungehalten den Kopf, als die Bediensteten sie etwas fragen wollten, und zog sich so schnell um, wie sie nur konnte.
Als sie zurückgekehrt war, erkannte sie bereits an der Miene ihrer Mutter, daß Frau Berta geschwiegen hatte, und atmete erleichtert auf.
»Setz dich, Kind, damit wir fortfahren können«, sagte die Großmutter und nickte ihr unmerklich zu.
»Der Brief ist unterwegs«, verkündete Pippin. »Ich habe meiner sogenannten Gemahlin noch mitteilen lassen, daß sie sich selbstverständlich von ihrer Amme und deren Mann begleiten lassen könne …« Grimmig blickte er in den Saal und setzte hinzu: »Und meine Boten haben den Auftrag, die beiden notfalls auch mit Gewalt beizubringen. Keine Sorge, entrinnen können uns die drei Betrüger nicht mehr.«
Du kannst mir nicht entrinnen. Das hatte er ihr am Bachufer auch einst gesagt, erinnerte sich Bertrada und preßte die Lippen aufeinander.
»Verzeihung, Herr Pippin«, meldete sich Vater Gregorius besorgt, »es wird doch wohl nicht in Prüm zu einer Gerichtsverhandlung kommen? Hochverrat ist ein sehr schweres Verbrechen, nicht etwas, wozu wir hier …«
»Seid unbesorgt, ehrwürdiger Vater«, unterbrach ihn Pippin. »Die Verhandlung findet soeben, in diesem Augenblick in diesem Saal statt, und das Urteil steht bereits fest.«
»Eine öffentliche Hinrichtung?« Vater Gregorius konnte die Verzweiflung nicht mehr aus seiner Stimme verbannen. Warum nur hatte Frau Berta damals dieses unglückselige Geschöpf aufgenommen! Er hatte von Anfang an geahnt, daß es nur Unheil über alle bringen würde. Wäre diese Frau außerhalb der Klostermauern verendet, hätte Pippin zwar die falsche Gemahlin behalten, aber wen hätte das wirklich gestört? Es war allgemein bekannt, daß es dem Hausmeier auf eine Frau mehr oder weniger nicht ankam. Irgendeine hätte ihn schon mit der notwendigen Nachkommenschaft versehen. Und wer als Sohn eines Hausmeiers einfach per Proklamation beschloß, den Titel des Vaters geerbt zu haben, hätte sicher auch keine Scheu davor gehabt, jeder männlichen Frucht seiner Lenden zu gegebener Zeit ein Amt zuzuweisen, ganz gleich, welchen Ursprungs die Mutter war. Die Frauen waren nur Werkzeug und Gefäß, sie spielten ausschließlich dann eine Rolle, wenn ihnen wie Frau Berta unermeßlich viel Grundbesitz zu eigen war.
Über wieviel Macht die Klosterstifterin verfügte, wußte der Abt aus eigener leidvoller Erfahrung. Er überlegte nicht zum ersten Mal, daß dies keinesfalls Gottes Wille sein konnte. Das Weib hatte dem Mann schließlich Untertan zu sein, und wenn es, wie Frau Berta, keinen Mann mehr hatte, sollte es, wie es das weltliche Gesetz einst vorgeschrieben hatte, dem nächsten männlichen Verwandten unterstehen. Im Fall der Klosterstifterin war dies ihr Sohn. Aber Graf Charibert schien ja nachgerade Angst vor seiner Mutter zu haben! Warum wies er sie nicht in ihre Schranken? Warum ließ
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