Die Krieger 5 - Das Labyrinth der Götter
damit gewissermaßen am anderen Ende der Welt. Aber Niss hatte ohnehin keine Zeit, einen Blick in den Abgrund zu wagen. Das wütende Kreischen der Lemuren drang an ihr Ohr, während die letzten Wallatten aus dem Tunnel gestürzt kamen. Die Dämonen würden jeden Augenblick da sein. Corenn und Yan stellten sich bereits vor der Pforte auf, um ihnen den Weg zu versperren. Ihre sorgenvollen Mienen verhießen nichts Gutes.
Niss wandte sich zu Eryne um, die von ihren Gefährten umringt wurde. Sie hatte den Blick zu den Sternen erhoben und beschwor offenbar den Ewigen Wächter der Pforte. Dabei wirkte sie so mutlos, dass Niss alle Hoffnung verlor. Niemand würde ihnen zu Hilfe kommen.
In diesem Moment rief Zejabel vom anderen Ende des Felsplateaus zu ihnen herüber. Die Zü schwenkte ihre Fackel und wies auf etwas, das sie in der Dunkelheit entdeckt hatte.
Am Boden lag ein gigantischer Raubvogel. Der Ewige Wächter der ethekischen Pforte war tot, und seine magischen Kräfte waren für immer erloschen.
In diesem Augenblick zerbrach etwas in Cael. Diesmal gewann die Stimme nicht einfach für eine gewisse Zeit die Oberhand, diesmal ging es viel weiter. Die aussichtslose Lage, in die sie geraten waren, stürzte ihn in eine so abgrundtiefe Verzweiflung, wie er sie noch nie empfunden hatte. Sein letzter klarer Gedanke war, dass sich nun herausstellen würde, ob Usuls Prophezeiung zutraf oder nicht: Würde er sich tatsächlich endgültig seiner Stimme unterwerfen? Im nächsten Moment übernahm der Dämon die Kontrolle über seinen Körper.
Die dunkle Macht des Karu durchströmte seine Glieder, Zorn loderte in seinen Adern wie ein ewiges Feuer. Er spürte, wie er stärker und stärker wurde, und wusste, dass er seine Kräfte noch weiter steigern könnte, wenn er wollte. Seine Sinne wurden schärfer, und seine Wahrnehmung erreichte ein Ausmaß, das die menschliche Vorstellungskraft überstieg. Er roch den Angstschweiß auf der Haut der Sterblichen, hörte ihre Atemzüge und sah das kleinste Zucken eines Augenlids. Aber die verfluchten Dara-Steine hinderten ihn daran, ihre Gedanken zu lesen. Mit einem wütenden Knurren riss er sich seinen Anhänger vom Hals. Dieser Tand war jetzt nutzlos. Die ganze Welt würde von seiner Existenz erfahren, und er selbst kannte nun die wahre Größe des Universums. Am liebsten hätte er laut über die Unwissenheit der Sterblichen gelacht. Was sie entdeckt zu haben meinten, war nur ein Bruchteil der Wahrheit.
Die Seelen seiner unsterblichen Brüder und Schwestern, die über die Welt verstreut waren, schimmerten in seinem Geist wie Sterne am nächtlichen Himmel. Er konnte jeden von ihnen mit bloßer Gedankenkraft aufspüren. Einige befanden sich ganz in der Nähe; jene niederen Kreaturen, die Sombre aus dem Karu befreit hatte. Aber da war auch noch jemand anders, eine Göttin, deren Entwicklung noch nicht vollendet war. Er hatte bereits versucht, sie zu bekämpfen, besser gesagt, sie zu töten. Doch mittlerweile hatte er nur noch Verachtung für Eryne die Heilende übrig. Sie ahnte kaum etwas von dem, was er soeben erkannt hatte, und er bezweifelte, dass sie je Gelegenheit haben würde, dieses Wissen zu erlangen.
Cael, der Dämon, hatte Wichtigeres im Sinn.
Sein Schöpfer rief ihn mit all seiner unsterblichen Kraft zu sich. Er erwartete ihn in dem Palast, in dem er Hof hielt. Eigentlich forderte Sombre sogar alle Lebewesen, die sich in diesem Moment auf der Hochebene befanden, zum Kampf heraus.
Der Dämon im Körper des Jungen brannte darauf, ihm gegenüberzutreten. Abgrundtiefer Hass auf Sombre den Bezwinger pulsierte in jeder Faser seines Körpers, und dieser Hass würde niemals erlöschen, nicht einmal im Tod. Die Rivalität zwischen ihnen hatte nichts Freundschaftliches an sich. Sombre hatte ein Wesen nach seinem Ebenbild erschaffen wollen, und das war ihm nur zu gut gelungen: Cael konnte nicht ertragen, dass ein anderer von sich behauptete, der grausamste Dämon aller Zeiten zu sein, der größte Eroberer und mächtigste Herrscher. Denn all das war er selbst! Er, der schon so lange im Körper eines Sterblichen gefangen war, war der eigentliche Bezwinger. Außer ihm durfte niemand Anspruch auf diesen Namen erheben.
Einige der Sterblichen in seiner Nähe erdreisteten sich, ihn anzusprechen oder ihn sogar zu berühren, doch er stieß sie weg, wie man eine lästige Fliege verscheucht. Berauscht von seinem Zorn und dem neu erlangten Wissen über die Welt marschierte er auf die Pforte zu und
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