Die Kriegerin der Kelten
Seele zugefügt wurden, reichen noch tiefer als alles, was man deinem Körper jemals angetan haben mag. Hast du einmal mit Valerius gesprochen und ihn gefragt, wie lange dessen Heilung gedauert hat? Ist er sich überhaupt sicher, dass diese Heilung schon abgeschlossen ist?«
Darüber hatte Breaca noch gar nicht nachgedacht. Nun aber, da sie sich wieder an die Geschichten erinnerte, die er ihr während ihrer Fieberträume erzählt hatte, entgegnete sie: »Sein Vater, Luain mac Calma, hatte ein komplettes Jahr von Valerius verlangt, um ihn wieder heilen zu können. Und Valerius hat ihm dieses Jahr auch gewährt.«
Sie spürte genau, wie abgezehrt sie aussehen musste, versuchte ihre Schwäche im Gegensatz zu Theophilus aber nicht hinter dem grünen Glas des Weinkelchs zu verbergen. Vorsichtig stellte sie den Becher gleich neben dem Brunnen auf den Boden. Breaca spürte ein seltsam hohles Gefühl in ihrem Inneren, ganz so, als ob die Leere und Ödnis in ihrer Seele plötzlich nach vorn in ihren Brustkorb getreten sei und sich nun wie eine klaffende Wunde der Nacht öffnete.
»Wie viel Zeit müsste ich dir denn geben, damit du mich heilen könntest?«, fragte sie.
Theophilus’ Gesichtszüge wurden wieder etwas weicher, und er sah Breacas Vater plötzlich sehr ähnlich - wenngleich Theophilus dies natürlich nicht wissen konnte. »Luain mac Calma ist doch der Vorsitzende des Ältestenrats von Mona«, entgegnete er. »Folglich hat er Zugang zu Quellen, über die wir hier allerhöchstens Mutmaßungen anstellen können. Andererseits aber reichten die Verletzungen deines Bruders, zumindest meiner Ansicht nach, trotz allem noch wesentlich tiefer als deine Wunden. Und sie waren wohl auch von etwas anderer Natur. Wenn ich dir also sagen würde, dass ich, um dich heilen zu können, Tag und Nacht an deiner Seite bleiben müsste, also sowohl, während du wach bist, als auch, während du schläfst - besonders, während du schläfst... Und wenn ich dir nun zusätzlich sagte, dass ich für diese Heilung ungefähr bis Mittsommer bräuchte, wahrscheinlich sogar noch länger, und dass in dieser Zeit niemand anderer in deine Nähe kommen dürfte außer mir... Würdest du mir diese Zeit dann gewähren? Könntest du mir diese Zeit gewähren?«
Theophilus war kein Stratege im eigentlichen Sinne. Doch er hatte fast sein gesamtes Erwachsenenleben unter Angehörigen des Militärs zugebracht. Und er hatte die Wachtürme brennen sehen und konnte die Feuer des Kriegsheeres und die sich daraus ableitende Größe von Breacas Armee genauso leicht abschätzen wie jeder andere Mann. Außerdem wusste er, wie weit es von Camulodunum bis nach Mona war, und er wusste, wo die Legionen stationiert waren. Folglich hatte ihm all dieses Wissen auch bereits Breacas Antwort verraten, noch ehe er seine Frage überhaupt gestellt hatte. Und genau das war der Grund, weshalb er geweint hatte.
Schweigend stand Breaca neben ihm. Nach einer Weile, als der Schmerz in ihrer Brust eine geradezu bleierne Last zu werden schien und sie nicht mehr die Kraft fand, diesen Schmerz einfach von sich zu stoßen, ließ sie sich abermals auf dem Rand des Brunnens nieder.
»Es tut mir leid«, sprach Theophilus schließlich mit leiser Stimme. »Bitte warte einen Augenblick hier.« Dann war er verschwunden. Breaca horchte auf seine Schritte, bis das Schlurfen seiner Füße über die tönernen Fliesen schließlich ganz verhallte. Während seiner Abwesenheit begann die Öllampe zu rußen, bis die Flamme irgendwann endgültig erlosch.
Als Theophilus wiederkehrte, schnalzte er missbilligend mit der Zunge, verschwand abermals und kehrte dann mit einer weiteren kleinen Lampe zurück. Mittlerweile aber war Breaca das neue Licht gar nicht mehr willkommen.
»Meine Liebe, ach, meine Liebe...«
Endlich, so schien es, konnte Breaca weinen. Und nun, da sie ihren Tränen einmal freien Lauf gelassen hatte, konnte sie sie auch nicht mehr so einfach wieder beherrschen, selbst dann nicht, als sie feststellte, dass sie nicht mehr allein war, sondern wieder in der Obhut eines fremden Mannes. Vor ihm sollte sie ihre eigene Schwäche also eigentlich wesentlich leichter zeigen können als vor jedem anderen. Und dennoch fiel es ihr schwer, sich einfach einmal gehen zu lassen.
Breaca hörte, wie Theophilus’ Knie so laut knackten, dass das Echo von den Wänden widerhallte. Dann kniete er neben ihr nieder und legte die Hände um ihre Schultern. Während er sorgsam auf ihren Rücken achtete, zog er sie
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