Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
nach fauliger Erde nicht aus der Nase ging. Auch die Zeiten, in denen er auf seine Erektion wetten konnte, waren längst dahin.
Petronilla wand sich aus seinem Arm und schob sacht die beiden Mädchen zu ihm. »Er ist ein guter Mann, er hat es verdient, verwöhnt zu werden«, gab sie den beiden zu verstehen.
Bramante warf ihr einen dankbaren Blick zu, den sie kurz erwiderte, bevor sie sich lächelnd einem Geheimschreiber des Papstes zuwandte, einen von diesen abgesicherten Kurialen, und ihn mit säuselnder Stimme umgarnte. Sie führte ihn zu einem Sofa, auf dem er sich niederließ und einem jungen Lautenspieler mit schwarzen Locken und verlebten Augen schmachtende Blicke zuwarf. Als Bramante die beiden Grazien über die Treppe in das obere Stockwerk entführte, nahm er aus den Augenwinkeln wahr, wie sich der kleine Lautenspieler unter den Blicken des Geheimschreibers anzüglich mit der Zunge über die Lippen fuhr. Aber war er selbst denn etwas Besseres als der Prälat, er, der zwei blutjunge Mädchen im Arm hielt, die seine Töchter hätten sein können? Plötzlich musste er daran denken, dass Imperia auch einmal so angefangen hatte.
»Wein, ich will Wein«, rief er.
»Salvatore, bring uns frische Austern und einen Krug Greco di Ancona!«, wies das Mädchen mit den braunen Augen einen jungen Mann an. Dann traten die drei in einen mittelgroßen Raum mit einem rot gepolsterten Sofa mit elegant geschwungenen Beinen. Davor stand ein runder Tisch mit verschwenderischen Intarsienarbeiten, die ein orientalisches Motiv zeigten, Frauen, einen Sultan und Vögel. Vor dem Tisch standen drei Armlehnstühle und ein Hocker. An der rechten Wand stand ein breites Bett.
»Wofür ist der Hocker?«, fragte Bramante. Die blauäugige junge Frau lächelte vielsagend.
»Musik?«, fragte die andere. Bramante brummte zustimmend. Es klopfte an der Tür, und Salvatore servierte Wein, gesottenes Rindfleisch, Brot und Austern.
»Ach, der Erlöser«, scherzte Bramante. Die beiden Mädchen schauten sich kurz irritiert an. Er dachte, dass es nun wirklich nicht darauf ankam, dass sie diesen Scherz begriffen, wenn sie nur das andere gut genug verstanden.
»Schick uns Lautaro!«, sagte das eine Mädchen zu Salvatore.
»Wie heißt ihr eigentlich?«, fragte Bramante.
»Evangelista.«
»Und ich bin Ecclesia.«
Bramante konnte sich vor Lachen kaum halten. »Das ist die ewige Seligkeit, wenn ich es mit der guten Botschaft und der heiligen Kirche zugleich treibe.« Er verschluckte sich in seiner Heiterkeit und musste husten. Evangelista hielt ihm einen Becher Wein hin, den er in einem Zuge leerte.
Wenig später erschien Lautaro mit der Laute im Zimmer. Er trug eine Art weißen Kittel und hielt sein Musikinstrument in der Hand. Ecclesia löste in seinem Nacken das Bändchen, sodass der Kittel zu Boden fiel und der Jüngling nackt dastand. Wie Adonis.
»Und jetzt spiel!«, befahl Evangelista.
»Mit oder ohne Gesang?«
»Wenn es in deinen Liedern nicht um die Enthaltsamkeit geht, dann sing, mein kleiner Zeisig, sing!«, ermunterte ihn Bramante, der nicht mehr verstand, weshalb er dieses Etablissement so lange gemieden hatte. Weil er glaubte, die Liebe seines Lebens gefunden und diese Liebe für das Projekt seines Lebens geopfert zu haben? In den letzten Wochen und Monaten hatte er freiwillig wie ein Mönch gelebt. Er küsste Evangelista und ließ seine Hände über ihre Schultern gleiten, nahm dabei die Ärmel ihres Kleides mit und zog es herunter. Sie wehrte ihn sanft mit der rechten Hand ab, stand auf und zog das Kleid aus, unter dem sie nichts trug. »So steht Gottes Wort nackt vor Euch.«
»Und die Kirche?«
Ecclesia folgte seiner Aufforderung und setzte sich rittlings auf seinen Schoß, während ihn Evangelista mit gesottenem Rindfleisch fütterte. Bramante grunzte vor Wohlbehagen und nahm einen Schluck vom Greco. Die Auferstehung des Fleisches und das Leben. Als er in Ecclesia eindrang, dachte er, dass er die größte Kirche der Christenheit errichten würde. Sie bewegte sich über ihm, während der Lautenspieler sang: » … Hoffnung ist seltsam für den, der im Wind herumtollt.« Bramante schloss die Augen und sah den Himmel offen wie der heilige Stephanus. In diesem Moment begriff er, dass die Kuppel des Himmels, die er auf die größte Kirche der Welt setzen wollte, nicht aus Steinen, sondern aus den Hoffnungen der Menschen erbaut werden musste, leicht, luftig und unzerstörbar. Es wäre der letzte Tag der Menschheit, dachte er, wenn
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