Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
ein Lächeln und eine gewisse Leichtfertigkeit zur Schau trug, sonst hätte ihn der wilde Ausdruck seines Gesichts wohl noch stärker eingeschüchtert. Francesco hatte sich ohnehin ein wenig abseitsgehalten und blickte nun ängstlich auf seinen Herrn. Widerwillig trat Michelangelo zur Seite und eilte, gefolgt von seinem Diener, zum Hafen. Unterwegs stieß er laute Racheschwüre aus.
Als sie am Tiber eintrafen, kamen ihm unwillkürlich die Tränen. Die verfluchten Kerle hatten so viele Marmorblöcke, wie sie konnten, in den Fluss geschoben – auch den riesigen bossierten Stein, aus dem er den Moses zu hauen gedachte. Michelangelo trug Francesco auf, Fuhrwerke und Kutscher zu besorgen, während die Hafenarbeiter unter seiner beherzten Anleitung die nassen Quader aus dem Wasser zogen. Er beschloss, den Marmor auf dem Petersplatz vor der Kirche Santa Caterina zu lagern. Eine Straße weiter befand sich seine Werkstatt. Unter seinen Augen und denen des Papstes würde sicher niemand wagen, sich an dem Material zu vergehen!
Draußen hatte der Regen wieder eingesetzt. In der Basilika wurde es dadurch schlagartig dunkel, weil sich dicke Wolken vor die Sonne geschoben hatten und deshalb nur noch wenig Licht auf die kleinen Fenster im Obergaden traf. Dunkel wie der Glaube, dachte Bramante zornig. Aber das wollte er ja alles besser machen. Einen großen, schönen, hellen Tempel als Mittelpunkt der Welt, dessen Heiterkeit und Ebenmaß überallhin ausstrahlen würde, hatte er entworfen. Nach dem Vorbild der Antike. Unter seiner Himmelskuppel würde eine neue Zeit anbrechen. Das war der Grund, weshalb sich der Dominikaner so sehr dagegen stemmte: weil er die alte, die dumpfe, die dunkle Kirche erhalten wollte!
Der Geruch des Weihrauchs, der in der Basilika waberte, schlug ihm wie eine bittere Speise auf den Magen. Viele Pilger beichteten ihre Sünden und beteten zu Gott in der Hoffnung auf Ablass und Fürsprache. Bramante hielt auf den Beichtstuhl im Nordwestbereich der Kirche zu, in dem er damals mit dem Kardinal gesessen und versucht hatte, mit ihm ein Komplott gegen Michelangelos Grabmal zu schmieden. Auf der Suche nach Giacomo rannte er von Beichtstuhl zu Beichtstuhl, riss den Vorhang zur Seite oder rücksichtslos die Tür auf. Er handelte sich dafür überraschte oder zornige Blicke der Priester und Beichtenden ein, aber den Dominikaner fand er nicht. Dennoch sagte ihm sein Gefühl, dass sich dieser in der Peterskirche aufhielt. Doch wo, überlegte er fieberhaft. Plötzlich erfasste ihn eine Ahnung. Natürlich, dass er daran nicht von Anfang gedacht hatte! Im Herzen der Basilika musste er sein. Unterhalb der Confessio, am Grab Petri.
»Komm, ich weiß, wo der Teufel steckt«, rief er Ascanio zu. Sie eilten zum Hochaltar, öffneten die kleine schmiedeeiserne Tür und stürzten die schmalen Treppen hinunter.
Dann sahen sie sie. Lucrezia. Sie saß vor dem Grab des Apostelfürsten, die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Die Augen verbunden, geknebelt. Bramante konnte spüren, wie ihr junger Körper vor Angst zitterte, und wollte auf sie zustürzen, als sich ihm zwei Bewaffnete in den Weg stellten. Ascanio zog sein Rapier.
»Versucht es erst gar nicht, Donato«, sagte Giacomo il Catalano, der aus dem Halbdunkel erschien. Er schnippte mit den Fingern, und weitere zehn bewaffnete Männer traten hervor. Ihrem Aussehen nach zu urteilen, waren es erfahrene Haudegen.
»Hier hat Gott meiner Kunst ein Ende gesetzt!«, raunte Ascanio dem Architekten mit erschreckender Nüchternheit zu.
»Sie ist ein unschuldiges Kind! Ist das christlich? Ist das Gott wohlgefällig?«, rief Bramante wutentbrannt.
Lucrezia wandte den Kopf in seine Richtung.
»Stillgehalten, sonst gibt’s eins in die Fresse!«, fuhr sie einer der Bewacher grob an.
»Sei vorsichtig, Narbengesicht!«, drohte Bramante. In seiner Stimme schwang ein gefährliches Grollen. Der Kerl grinste schmierig, und der Kardinal verzog keine Miene, als ginge ihn das Geplänkel nichts an.
»Kommen wir zu dem Grund, weshalb wir uns hier mehr oder weniger freiwillig versammelt haben«, sagte er kühl. »Der Zweck heiligt die Mittel und das Amt seinen Träger! Ihr wisst, was ich will. Geht zum Papst, erklärt Euren Rücktritt und schlagt Frà Giocondo als leitenden Architekten für den Neubau des Petersdomes vor – dann wird dem Mädchen kein Haar gekrümmt. Sobald mein Ordensbruder vom Heiligen Vater als Baumeister berufen ist, bekommt Ihr die Kleine unversehrt zurück.«
»Warum
Weitere Kostenlose Bücher