Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
wenn wir einen Beweis hätten, würde er es vertuschen. Der Papst zieht einen Kardinal nur zur Rechenschaft, wenn er ihn bestiehlt oder ein Komplott gegen ihn persönlich geschmiedet hat.«
»Aber nicht wegen der Tochter einer Kurtisane«, sagte Imperia bitter.
»Wegen keines Mannes und keiner Frau Tochter oder Sohn«, versuchte der Bankier seine Geliebte zu trösten. Doch sie hörte ihn gar nicht, sondern begann, an ihren Fingernägeln zu kauen. »Wird der Kardinal Wort halten?«, fragte sie zitternd.
»Vermutlich«, erwiderte Bramante und senkte den Kopf. Er wollte es zumindest hoffen.
»Dann tu es, Donato, geh auf seine Forderungen ein! Du wolltest schon einmal für mich auf dieses Projekt verzichten, dann tu es jetzt für Lucrezia und für mich!«
Bramante nickte traurig. In diesem Moment stürmte Ascanio ins Zimmer, blickte noch einmal prüfend auf den Gang und zog die Tür hinter sich zu. Der Leibwächter wirkte verschwitzt, und seine Kleidung war in Unordnung geraten. Offenbar hatte er sich sehr beeilt. Sein Gesichtsausdruck verriet eine große Anspannung. Mit wenigen Schritten war er bei Bramante und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Baumeister riss die Augen auf und sah Ascanio ungläubig an. Der Leibwächter nickte.
»Giorgio!« Bramante hatte kaum nach seinem Diener gerufen, als dieser schon erschien. Ascanio schloss die Tür, legte den Riegel vor und zog sein Rapier aus der Scheide. Der Hausdiener drehte sich erschrocken um. Angst schlich in sein dickes Gesicht und straffte sein Doppelkinn.
»Wir haben zu reden«, sagte Ascanio trocken. »Wage es nicht, zu lügen oder nach Ausflüchten zu suchen. Das würde schmerzhaft für dich ausgehen. Was hat dir Ranuccio, das Narbengesicht, für deine Spitzeldienste geboten?«
Giorgios Augen blickten panisch hin und her. Einen Moment schien er zu überlegen, ob er leugnen sollte, warf sich aber dann Bramante zu Füßen. »Gnade, Herr, Gnade, ich habe Euch all die vielen Jahre treu gedient.«
»Das ist es ja gerade!«, sagte Bramante enttäuscht und traurig. Der Verrat traf ihn tief. Dreißig Jahre schon stand der Mailänder inzwischen in seinen Diensten.
Giorgio brachte zu seiner Entschuldigung vor, dass ihn Ranuccio erpresst habe, weil er in einer der billigen Tavernen von Regola im Streit um eine Frau einen Mönch erschlagen hatte.
»Warum hast du mir das nicht gesagt?«, fragte Bramante.
»Weil ich schon im Kerker von Tor di Nona war und seine Eminenz, Kardinal Catalano, mir die Instrumente zeigen ließ. Niemand würde mir helfen können, hat er gesagt. Auch Ihr nicht, nur er.«
Bramante ließ den Kopf hängen. Nun war ihm klar, auf welche Art und Weise der Erzpriester seinen schwachen Punkt herausgefunden hatte. Ein schrecklicher Gedanke kam ihm.
»Hast du Lucrezia aus dem Kloster abgeholt?«, fragte er den Diener, der betreten nickte. Ascanios und Bramantes Blicke trafen sich.
»Er hat sich vor Lucrezia nicht verborgen«, stellte der Leibwächter fest.
»Triffst du dieses Pack noch einmal?«, hakte der Architekt nach.
»Ja. Heute Abend soll ich am Kolosseum meinen Lohn abholen.«
»Sie werden dir die Kehle durchschneiden«, sagte Bramante trocken. »Als Lohn für deinen Verrat.«
Eine böse, heimtückische Stille breitete sich aus. Für alle bis auf Giorgio nahm der Plan des Erzpriesters seine furchtbaren Konturen an.
Chigi rollte mit den Augen. »Sobald du zurückgetreten bist, Donato, wird dir Julius seine Gunst entziehen. Er wird es als Verrat auffassen, dass du ihn mit dem großen Projekt im Stich lässt.«
»Ich habe es ihm schließlich eingeredet.«
»Eben. Einem Kardinal kannst du dann nicht mehr gefährlich werden.«
»Er wird uns auch Lucrezia nicht lebend zurückgeben!«, sagte Ascanio leise. »Für das Verbrechen gibt es keine Zeugen mehr, und der Einzige, der Anklage erheben könnte, steht selbst als Verräter da.«
Es war ein teuflisches Netz, das der Dominikaner geknüpft hatte. Ausweglos für die, die sich in ihm verfangen hatten. Voller Schmerz schrie Imperia auf und brach in Schluchzen aus.
34
Rom, Anno Domini 1506
Noch nie in seinem Leben hatte Bramante etwas versprochen, wenn er nicht garantieren konnte, dass er auch imstande wäre, sein Wort zu halten. Das einzig Tröstliche war, dass nur der Tod ihn daran hindern konnte, seinen Plan auszuführen. Alle hatte er davon überzeugt, selbst Imperia. Doch in Wahrheit gab es auch keine Alternative. Nüchtern betrachtet hatten sie nur zwei Vorteile. Zum einen wusste
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