Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
haben es wieder einmal geschafft. Doch die Reise, die nun folgte, würde er allein antreten müssen. Gustavo legte seine große, kraftlose Pranke in die Hand seines Waffengefährten und verstarb leise und unspektakulär. Sein Kampf war ausgefochten. Das resignierte Lächeln auf den Lippen des Freundes trieb Ascanio die Tränen in die Augen. Er hatte nicht gewusst, dass er überhaupt noch weinen konnte. Dann sprach er das Totengebet, das er in den vielen Jahren, in denen er von seinem gefährlichen Handwerk lebte, so oft für gute Männer gesprochen hatte:
»Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir: Herr, höre meine Stimme!
Wende dein Ohr mir zu, achte auf mein lautes Flehen!
Würdest du, Herr, unsere Sünden beachten, Herr, wer könnte bestehen?
Doch bei dir ist Vergebung, damit man in Ehrfurcht dir dient.
Ich hoffe auf den Herrn, es hofft meine Seele, ich warte voll Vertrauen auf sein Wort.
Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen.
Mehr als die Wächter auf den Morgen soll Israel harren auf den Herrn.
Denn beim Herrn ist die Huld, bei ihm ist Erlösung in Fülle.
Ja, er wird Israel erlösen von all seinen Sünden.«
So hätte Gustavo es gewollt. Leise fügte Ascanio hinzu: »Herr, nimm ihn zu dir. Er war ein guter Mann. Amen.« Dann bekreuzigte er sich, stand auf und wischte sich die Tränen aus den Augen. Nach einem Räuspern sagte er: »Baccio, lass uns erst Lucrezia zu Messèr Chigi bringen. Aber danach kümmern wir uns um ein anständiges Begräbnis für unseren Freund. Er war der Beste von uns.«
Betreten stimmten ihm Eugenio und Baccio zu, während Lucrezia neben dem Toten niederkniete und ihn auf die Stirn küsste. Sie nahm ihr Kreuz vom Hals und band es Gustavo um. Die Männer beobachteten die Geste, die sie rührte. Durch die geöffnete Tür der Rotunde und durch die Seitenfenster brach das Licht der Abendsonne durch die Wolken, die sich vor ihrer Kraft auflösten und zurückzogen. Ja, jetzt kam der Frühling und vertrieb die dunklen Tage! Ascanio schien es, als hätte Gott die Strahlen eigens geschickt, um Gustavos Seele abzuholen und ihr ein sicheres Geleit in den Himmel zu geben. Er atmete tief ein, dann sprach er weiter: »Und du, Eugenio, schneide dem Vieh da die Wange mit der Narbe ab, und bring sie dem Kardinal Catalano. Aber sei vorsichtig. Wir hatten schon mehr Verluste als genug.«
36
Rom, Anno Domini 1506
Der Kardinal saß ungeduldig auf einem Lehnstuhl und konnte es kaum erwarten, dass der redselige Augustiner-Eremit endlich seinen langatmigen Vortrag beendete. Selbst den Papst, der den brillanten Prediger schätzte, überkam langsam, aber offensichtlich eine Unruhe. Giacomo indes wollte nur eines hören: dass Bramante zurücktrat. Nach zwei längeren Einschüben kam Egidio endlich zum Ende.
»Verehrter Egidio, heute hast du dich in der Eleganz deines Vortrags selbst übertroffen«, sagte Julius II., und Giacomo meinte, ihn dabei innerlich aufatmen zu hören. »Was gibt es über den Fortgang der Vorbereitungen zum Neubau Unserer Kirche zu berichten, Donato?«
Giacomos Augen klebten förmlich am Gesicht des Architekten. Bramante erhob sich langsam, sehr langsam. Der Kardinal konnte sehen, wie schwer es ihm fiel.
»Die Planungen selbst kommen gut voran, Heiliger Vater«, begann der Architekt. »Einer Grundsteinlegung am 18. April steht eigentlich nichts im Wege …«
Der Papst nickte zufrieden. Bramantes Blick und der des Kardinals kreuzten sich wie scharfe Klingen.
»… aber«, sagte Giacomo.
»Aber …«, sagte der Architekt.
»Aber?«, fragte Julius ungeduldig. Er verabscheute das Wort, wenn es jemand im Gespräch mit ihm gebrauchte. »Was aber?«
»Nun ja …«, Bramante versuchte verzweifelt, Zeit zu gewinnen. »Da wäre noch ein wichtiges Thema zu besprechen, das keinen Aufschub duldet, ein Thema, das in aller Demut und im Wissen der Nichtigkeit meiner Person vor Gott und natürlich auch vor Euch, Heiliger Vater, und vor Seiner Eminenz Egidio von den ehrenwerten Augustinern und natürlich auch vor Euch, Frà Giacomo, unbedingt besprochen werden muss, weil es, wie soll ich sagen, sich eben nicht mehr aufschieben lässt, denn es wäre eine Sünde, es weiter aufzuschieben, auch wenn ich mir hinwiederum bewusst bin, damit vielleicht Eure erlauchten Ohren zu beleidigen. Aber wie kann die Wahrheit sie beleidigen, und vielmals bitte ich auch dafür um Entschuldigung, dass ich Euch möglicherweise damit beleidigt habe, geglaubt zu haben, Euch mit
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