Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
stets in der Nähe sein, wenn seine Gesellen Farben anrührten und die Mitarbeiter Skulpturen fertigstellten, die er selbst begonnen und in ihrer Ausführung vorgegeben hatte. Michelangelo konnte es seinem Diener an der Nasenspitze ansehen, wie sehr dieser sich nach der alten Wohnung im Borgo zurücksehnte. Der Künstler tätschelte seinem treuen Begleiter die Schulter und sagte ihm aufmunternd, dass es vielleicht kein Palazzo sei, aber immerhin eine ganz ordentliche Unterkunft.
Persönlich überwachte er die Einrichtung der Werkstatt und den Transport des Marmors. Francesco wiederum kümmerte sich um die Gestaltung des Wohnbereiches – so gut es eben ging, bei dem wenigen Geld, das ihn Michelangelo dafür zur Verfügung stellte. Er konnte noch so sparsam wirtschaften, sein Meister nannte ihn dennoch einen Verschwender, aber daran war er inzwischen gewöhnt.
Seit seiner Rückkehr nach Rom konnte es Michelangelo kaum erwarten, die Arbeit an dem Grabmal für Julius II. fortzusetzen. Als ihn an einem Morgen ein Bote dringend zum Papst rief, machte er sich sogleich auf den Weg. Er bestieg den Maulesel, den er sich zugelegt hatte, und ritt zum Campo dei Fiori, weiter nach Nordwesten zum Tiber, überquerte den Ponte Sisto, und trabte die Straße entlang, die zwischen Gärten und kleinen Sommervillen von Trastevere zum Borgo führte. Neugierig warf er einen Blick auf den großen Palazzo, der linker Hand zum Tiber hin entstand, und erreichte eine halbe Stunde später den Vatikan. Es wunderte ihn nicht wenig, dass man ihn sogleich in die Sixtinische Kapelle führte.
Von Egidio da Viterbo, Giacomo Catalano und Bramante umringt, stand der Papst mitten in der Kapelle. Als er den Bildhauer sah, winkte er ihn zu sich und zeigte mit den Fingern zur Decke. »Gefällt sie dir?«
»Nein«, antwortete Michelangelo. »Der Sternenhimmel ist nichtssagend. Außerdem wird er von den vorgenommenen Reparaturen noch zusätzlich verunstaltet.«
»So ist es«, sagte Julius II. und nickte. »Und deshalb sollst du die Decke ausmalen!«
»Aber Messèr Michelangelo ist Bildhauer, kein Maler! Er hat keine Erfahrung im Freskieren«, protestierte Bramante, dem man die Bestürzung ansah. Offensichtlich hatte der Architekt etwas anderes mit dem Papst besprochen und war nun von Julius überrumpelt worden, dachte Michelangelo nicht ohne Schadenfreude.
»Wer sollte es deiner Meinung nach dann machen?«, erkundigte sich Julius.
»Ich habe in Florenz die Arbeiten eines jungen Malers gesehen, der trotz seiner großen Jugend über größere Erfahrung in der Wandmalerei verfügt.«
»Und wirst du Uns den Namen des Wunderkindes verraten?«
»Raffael aus Urbino.«
Der Stellvertreter Christi legte die Hand an die Wange und dachte nach. Michelangelo wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Er fühlte sich hin- und hergerissen. Einerseits wünschte er sich nichts sehnlicher, als das Mausoleum fortzusetzen, und in der Tat verfügte er über wenig Erfahrung in der Wandmalerei – da musste er dem Rivalen leider recht geben. Doch wenn er den Wunsch des Papstes ausschlüge, würde er sich die Gunst des mächtigen Mannes womöglich endgültig verscherzen. Andererseits durfte er auch Bramante nicht gewähren lassen, der versuchte, den Vorschlag des Papstes zu zerpflücken.
Auch wenn sich Bramantes Interessen in diesem Ausnahmefall mit den seinen deckten, verspürte er alles andere als das Bedürfnis, sich mit diesem Kerl zu verbünden, der ihn nicht nur mit Intrigen überzogen hatte, sondern auch absolut rücksichtslos mit der alten Basilika von Sankt Peter umging. Gleich nach seiner Ankunft in Rom hatte er sich die Abrissarbeiten angesehen. Sie hatten ihn angewidert, wenngleich er dem gigantischen Bau der Vierung Respekt zollen musste, vor allem dem Mut, der dahintersteckte.
»Und, was sagst du dazu?«, fragte Julius den Bildhauer ungeduldig.
Michelangelo richtete seinen Blick noch einmal zur Decke des Gewölbes und vernahm plötzlich die Stimme Contessinas, die ihn bat, die Kuppel des Himmels für sie zu errichten. Als sei es gestern gewesen, sah er sie wieder vor sich, ihren Abschied im Florentiner Dom, den Abschied von ihrer Liebe. Eine Kuppel würde er ihr nicht bauen können – die schuf gerade sein Feind Bramante –, aber einen Himmel konnte er für seine Liebe hervorbringen!
Seit der Architekt die alte Kirche im Bereich des Petrusgrabes abreißen ließ, wurden die Hochämter nicht mehr dort, sondern in der Sixtinischen Kapelle gefeiert. Von
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