Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
außerhalb jeden Verdachts. Die Herrlichkeit von Gottes Schöpfung wollen wir in dem großen Bild entfalten!«, schloss er ergriffen.
»Tut das. Du wirst auf der Grundlage der Predigt Unseres lieben Onkels und der weisen Schrift des Joachim von Fiore gemeinsam mit Michelangelo das Bildprogramm entwerfen und Uns vorlegen. Wenn es Uns gut dünkt, wird Michelangelo es umsetzen.«
Ein knappes Jahr später waren die von Michelangelo und Egidio erarbeiteten Vorschläge genehmigt, alle Vorbereitungen abgeschlossen, die Vorlagekartons hergestellt und die Gerüste für das Malen unter der Decke errichtet.
Rom, Anno Domini 1510
Ein weiteres Jahr der Vorbereitungen verging, dann begann Michelangelo endlich mit den Arbeiten an der Decke der Sixtinischen Kapelle. Er hatte Maler aus Florenz kommen lassen, darunter auch alte Freunde wie Francesco Granacci. Doch bald schon störten sie ihn. Sie arbeiteten nicht schnell genug, nicht gut genug und verlangten für seine Begriffe obendrein zu viel Geld. Der Maler hatte angewiesen, dass niemand, auch der Papst nicht, sich die entstehenden Bilder ansehen dürfe, bevor sie fertig wären.
Eines Abends, als er noch einmal in die Kapelle kam, ertappte er ein paar Kardinäle, die auf den Leitern standen und die entstehenden Fresken begutachteten. Offenbar hatten sich die Gesellen bestechen lassen und diese Besichtigung ermöglicht. Als hätte das nicht ausgereicht, um seinen maßlosen Zorn zu wecken, erschrak Michelangelo bis ins Mark, als er den Zustand der Bilder sah. Sie blühten. Die Wände blühten! Durch die Feuchtigkeit und die Kälte trat Kalk aus dem Mauerwerk, der seine Arbeit vernichtete. In seiner Wut rüttelte er an den Leitern, in dem Bestreben, sie samt der Kirchenfürsten umzustürzen. Behände wie Käfer kletterten die Prälaten herunter und flohen aus der Kapelle, angetrieben von den Brettern, die der Maler nach ihnen warf. Dann prügelte er die Gesellen hinaus und entließ sie auf der Stelle. Wut hatte ihn erfasst, die ihn nicht zum Nachdenken kommen ließ.
Würde er scheitern, wie Bramante es vorausgesagt hatte und erwartete? Ein Blick auf den mitleiderregenden Zustand der Arbeit ließ nur eine Antwort zu. Doch er wollte und konnte nicht aufgeben und seine Niederlage eingestehen. Er kniete vor dem Altar nieder und versank in ein langes, inbrünstiges Gebet. Der Morgen brach schon zaghaft durch die hohen Fenster im Obergaden, als er sich mit steifen Gliedern wieder erhob und begann, in einer wilden Entschlossenheit den Putz von der Decke zu schlagen. Offenbar taugte die Florentiner Mischung für den Putz nicht, überlegte er, als er wieder ein wenig ruhiger geworden war; die Puzzolanerde in Rom besaß anscheinend andere Eigenschaften.
In den nächsten Tagen erkundigte er sich bei Giuliano da Sangallo, der wieder in der Stadt weilte, fragte bei Malern und Bauleuten nach, bis er die richtige Mischung für den feuchten Putz gefunden hatte, auf den er die Grundierung und die Bilder zu bringen gedachte. Bis auf zwei Gehilfen, die peinlich genau nach seinen Angaben die Farben anrührten, durfte niemand mehr die Kapelle betreten.
Auf dem Rücken liegend, den Pinsel in der nach oben gestreckten Hand über dem Kopf führend, malte und malte Michelangelo, während ihm die Farben und der Kalk ins Gesicht tropften. Bald schon brannten seine Augen von der ätzenden Flüssigkeit und entzündeten sich. Ständig arbeitete er im Windzug, im Winter in Kälte und Nässe, im Sommer in einer unerträglichen Hitze. Ob ihm das Werk gelingen würde, wusste er nicht. Was um ihn herum vorging, sah er nicht. Vollkommen im Rausch der Arbeit malte er zwölf, vierzehn Stunden am Tag und aß nur nebenbei und unregelmäßig. Wenn er abends erschöpft ins Bett fiel und sogleich einschlief, wurde er von Träumen gepeinigt, die seine Motive – Gott, die Erschaffung Adams, die Ahnen Christi und die Sibyllen – in grotesker Weise verzerrten. Manchmal drohte er im Traum irrezuwerden, doch dann erschien ihm wie durch ein Wunder Contessina und lächelte seine düsteren Visionen fort. Zuweilen jedoch sah er in den nächtlichen Trugbildern auch Giacomo vor sich, die Lippen zum Kuss gespitzt, mit geschminkten Wangen und frivolem Blick, in der aufreizenden Körperhaltung, die einst sein trunkener Bacchus eingenommen hatte. Dann bekam er eine Erektion, erwachte und schämte sich dafür. Nach solchen Träumen malte er am nächsten Tag besonders lange, als wolle er sich für seine sündigen Gedanken
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